Keine Entschädigung bei Windkraftanlagen auf ehemals volkseigenen Flächen

Keine Zahlungspflicht, aber möglicher Eigentumsverlust: Die aktuelle Entscheidung des Kammergerichts Berlin (KG) (Urteil vom 21.12.2016, Az. 28 U 7/15, Pressemitteilung und Urteil hier) zu standardmäßig verwendeten Klauseln der BVVG Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH kann gravierende Konsequenzen haben. Zwar entschieden die Richter, dass Eigentümer ehemals volkseigener landwirtschaftlicher Flächen keine Entschädigung zahlen müssen, wenn sie darauf Windenergieanlagen errichten. Die Vertragsstrafe, die die BVVG in ihren Verträgen vorsah, ist nach Ansicht des KG nicht rechtmäßig. Allerdings soll die BVVG in diesen Fällen ein Rückkaufsrecht haben – sie könnte also gegen den Willen des Eigentümers den Kaufvertrag rückgängig machen und den Verkauf neu verhandeln.

Das Urteil betrifft viele Eigentümer, weil die Entschädigungs- und Rückkaufsklauseln in tausenden Kaufverträgen über ehemals volkseigene Flächen verwendet wurden. Selbst wenn fraglich erscheint, ob die BVGG, deren Aufgabe es ist, die ehemals volkseigenen landwirtschaftlichen Flächen zu verkaufen, nun reihenweise Kaufverträge rückabwickeln würde, bedeutet das Urteil ein Hemmnis für Betreiber von Windkraftanlagen: Vertragsverhandlungen mit den betroffenen Eigentümern über die Nutzung ihrer Grundstücke zur Errichtung und Betrieb von Windkraftanlagen werden erschwert.

Das Kammergericht hat die Revision zugelassen und es ist davon auszugehen, dass der Bundesgerichtshof (BGH) angerufen wird, die Sache abschließend zu entscheiden.

In dem jetzt entschiedenen Fall hatte ein Landwirt geklagt, der im Mai 2005 ehemals volkseigene, von der Treuhandanstalt privatisierte landwirtschaftliche Flächen und Waldflächen in den neuen Bundesländern von der BVVG erworben hatte. Auf einem kleinen Teilstück (1,4 Prozent der Gesamtfläche) wollte er drei Windräder aufstellen lassen. Der Kaufvertrag mit der BVVG sah standardmäßig ein Verbot der Nutzung der verkauften Flächen zu anderen als landwirtschaftlichen Zwecken für einen bestimmten Zeitraum vor. Auch die Nutzung zum Zweck der Windenergieerzeugung unterfällt diesem Verbot, das mit einer Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe zugunsten der BVVG sanktioniert ist. Deren Höhe orientiert sich an dem Nutzungsentgelt, dass der Windenergieanlagenbetreiber zahlt.

Mit der Klage wollte der Landwirt festgestellt wissen, dass die BVVG entgegen der kaufvertraglichen Vereinbarungen weder in die Verhandlungen mit dem Windenergieanlagenbetreiber vor Abschluss eines entsprechenden Vertrages einbezogen werden noch ihr alle vertragsrelevanten Unterlagen zur Verfügung gestellt noch ihr eine Entschädigung gezahlt werden müsse. Das hat das KG bestätigt. Das Gericht stellte ferner fest, dass die beklagte BVVG ihr vertraglich vereinbartes Rücktrittsrecht nicht ausüben darf, da die beabsichtigte Änderung in der Nutzung der landwirtschaftlichen Flächen mit weniger als 1,5 Prozent der Gesamtfläche unwesentlich ist und daher nicht zum Rücktritt vom gesamten Kaufvertrag berechtigt. Allerdings urteilte das Gericht, dass der BVVG ein Rückkaufsrecht an dem verkauften Grundstück im Sinne der Flächenerwerbsverordnung zusteht. Das Rückkaufsrecht nach der Flächenerwerbsverordnung soll sicherstellen, dass Vorteile, die dadurch entstehen, dass eine wirtschaftlich ertragreichere Nutzungsmöglichkeit als Land- oder Forstwirtschaft zulässig wird, nicht bei den Käufern der ehemals volkseigenen Flächen verbleiben. Wird also das Planungsrecht wirksam geändert aufgrund des Vorhabens, Windkraftanlagen aufzustellen, entstünden finanzielle Vorteile für den Eigentümer, die bei der Bemessung des Kaufpreises nicht berücksichtigt wurden. Der BVVG soll daher die Möglichkeit eingeräumt bleiben, den ursprünglichen Kaufvertrag rückabzuwickeln und das Grundstück zu einem Preis zu verkaufen, der die Möglichkeit der Nutzung zum Zweck der Windenergieerzeugung berücksichtigt.

(5. Januar 2017)