EEG-Umlage: Rückwirkende Wiedereinführung des Claw-Back-Mechanismus für KWK-Eigenverbrauch verfassungswidrig?

Mit der EEG Novelle 2021 hat der Gesetzgeber einen „alten Bekannten“ wieder ausgegraben – den Claw-Back-Mechanismus für die EEG-Umlageprivilegierung hocheffizienter KWK-Eigenerzeugungsanlagen. § 61c Abs. 2 EEG 2021 sieht nunmehr (wieder) vor, dass für KWK-Eigenversorgungsanlagen mit einer installierten Leistung von mehr als 1 MW bis einschließlich 10 MW ab einer Auslastung von mehr als 3.500 Vollbenutzungsstunden pro Jahr eine stufenweise Einschränkung der EEG-Umlageprivilegierung erfolgen soll. Die Regelung tritt rückwirkend zum 1. Januar 2019 in Kraft (vgl. Art. 24 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung des EEG und weiterer energierechtlicher Vorschriften vom 21. Dezember 2020 („Änderungsgesetz“)). Betreiber hocheffizienter KWK-Eigenversorgungsanlagen (1 – 10 MW installierte Leistung) sehen sich hierdurch mit Nachforderungen von EEG-Umlage in Millionenhöhe konfrontiert.

Historische Entwicklung der EEG-Umlageprivilegierung von KWK-Eigenversorgung

Die Rechtslage um die Verpflichtung zur Zahlung der EEG-Umlage durch KWK-Eigenversorger wurde in den Jahren zwischen 2012 und 2021 mehrfach umgestaltet. Während die Eigenstromversorgung bis zum EEG 2014 noch komplett EEG-umlagefrei erfolgen konnte, wurden die Vorschriften zur Eigenstromversorgung mit dem EEG 2014 erstmals so geändert, dass die Netzbetreiber von den Eigenversorgern grundsätzlich eine anteilige Zahlung der EEG-Umlage in Höhe von 35 % bzw. 40 % auf die verbrauchten Strommengen verlangen konnten. In den Jahren 2018 und 2019 kam es wiederum zu Umgestaltungen des maßgeblichen § 61c EEG 2017. Dabei wurde der o.g. Claw-Back-Mechanismus zum 1. Januar 2018 eingeführt und zum 1. Januar 2019 wieder abgeschafft.

Hintergrund dieser Gesetzesänderungen war eine Auseinandersetzung der Bundesregierung mit der Kommission über den Beihilfecharakter der EEG-Förderung und der daraus folgenden Anwendbarkeit europäischer Beihilfevorschriften. Die Bundesregierung ging anders als die Europäische Kommission stets davon aus, dass es sich bei der EEG-Förderung nicht um einen beihilferelevanten Sachverhalt handelt. Um Rechtssicherheit zu gewährleisten legte sie die EEG-Vorschriften gleichwohl der Kommission zur beihilferechtlichen Genehmigung vor. Die Kommission sah in der Umlageprivilegierung nach § 61b EEG 2017 (in der Fassung vom 14. November 2018), wonach KWK-Eigenerzeugungsanlagen nur 40 % der auf die verbrauchten Strommengen entfallenden EEG-Umlage zahlen mussten, eine beihilferechtswidrige Überförderung. Daraufhin führt der deutsche Gesetzgeber mit Wirkung zum 1. Januar 2019 den oben beschriebenen Claw-Back-Mechanismus für hocheffiziente KWK-Anlagen mit einer installierten Leistung von mehr als 1 MW bis einschließlich 10 MW in § 61c Abs. 2 EEG 2017 (in der Fassung vom 17.12.2018) ein.

Nachdem der Europäische Gerichtshof („EuGH“) die Beihilfequalität der EEG 2012-Förderung in seiner Entscheidung vom 29. März 2019 (Az.: C-405/16 P) ablehnte, änderte der deutsche Gesetzgeber § 61c Abs. 2 EEG 2017 rückwirkend zum 1. Januar 2019 wieder zugunsten der vorherigen 40 %-Regelung ab.

EEG Novelle 2021 – Verfassungskonformität der Rückwirkung

Mit der EEG Novelle 2021 greift der Gesetzgeber den Claw-Back-Mechanismus wieder auf. Erneut wird § 61c Abs. 2 EEG rückwirkend zum 1. Januar 2019 geändert, diesmal jedoch zu Lasten der KWK-Eigenversorger. Die Rückwirkung wird damit begründet, dass die vorherige Rechtslage gegen EU-Beihilferecht verstoßen habe und insoweit kein Vertrauen in den Fortbestand der Regelung begründet werden konnte.

Ob und inwieweit eine solch weitgehende Rückwirkung verfassungsmäßig zulässig ist, erscheint mehr als fragwürdig. Im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und den daraus resultierenden Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes kann die in Art. 24 Abs. 2 Nr. 1 des Änderungsgesetzes vorgesehene Rückwirkung kaum gerechtfertigt werden. Insbesondere sind der Gesetzgeber und die Bundesregierung noch Ende 2019 selbst davon ausgegangen, dass es sich bei der Förderung nach dem EEG 2017 nicht um einen beihilferelevanten Sachverhalt handele und insoweit keine beihilferechtswidrige Überförderung der KWK-Eigenversorgung vorliegen könne. Mit der Änderung des § 61c Abs. 2 EEG 2017 im Jahr 2019 als Reaktion auf die Entscheidung des EuGH vom 29. März 2019 sollte vielmehr gerade Rechtssicherheit in Bezug auf die EEG-Umlageverpflichtung für KWK-Eigenversorger hergestellt werden.

Förderung nach EEG 2017 als staatliche Beihilfe?

Die rückwirkende Wiedereinführung des Claw-Back-Mechanismus ließe sich nur rechtfertigen, wenn die zuvor geltende Regelung des § 61c Abs. 2 EEG 2017 in der Fassung vom 20. November 2019 tatsächlich gegen europäisches Beihilferecht verstoßen hätte. Es kommt somit maßgeblich darauf an, ob die Förderung unter dem EEG 2017 als staatliche Beihilfe zu bewerten ist. Der EuGH hatte in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2019 formal nur über den Beihilfecharakter des EEG 2012 zu entscheiden. Während die Bundesregierung grundsätzlich von einer Übertragbarkeit der Entscheidungsgründe auf das EEG 2017 ausgeht, lehnt die Europäische Kommission dies ab. Letztlich müsste erneut der EuGH über den Beihilfecharakter der EEG-Förderung – diesmal nach dem EEG 2017 – entscheiden. Da sich an der Struktur des EEG Förder- und Umlagemechanismus nichts Grundlegendes geändert hat, sprechen jedenfalls gewichtige Argumente für eine Übertragbarkeit der EuGH-Rechtsprechung und damit gegen die Beihilfequalität der EEG 2017-Förderung.

Bewertung und Ausblick

Die rückwirkende Wiedereinführung des Claw-Back-Mechanismus dürfte für KWK-Eigenversorger eine böse Überraschung sein. Nicht zuletzt, weil die entsprechende Vorschrift in § 61c Abs. 2 EEG 2021 erst im letzten Moment durch die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie vom 15. Dezember 2020 und damit nur zwei Tage vor Verabschiedung des Gesetzesentwurfs im Bundestag erstmals erwähnt wurde. Die Vermutung liegt nahe, dass der Gesetzgeber selbst keine rückwirkende Änderung der Rechtslage um die KWK-Eigenversorgung vorgesehen hatte. Die Europäische Kommission scheint sich an dieser Stelle im seit Jahren schwelenden Streit um den Beihilfecharakter der EEG-Förderung durchgesetzt zu haben.

Der gesetzgeberische Schlingerkurs wirkt sich letztlich zu Lasten der KWK-Eigenversorger aus, die insbesondere nach der Entscheidung des EuGH im März 2019 und der darauf folgenden Gesetzesänderung im November 2019 zu Recht davon ausgehen durften, dass sich die Rechtslage nun geklärt habe. Viele Betreiber werden im Vertrauen auf diese Rechtslage anstelle eines Fremdstrombezugs ihre KWK-Anlagen mit mehr als den in § 61c Abs. 2 EEG 2021 maßgeblichen 3.500 Vollbenutzungsstunden gefahren haben und sehen sich nun in diesem Vertrauen enttäuscht. In Anbetracht der Höhe der nun nachzufordernden EEG-Umlage wäre eine (verfassungs-)gerichtliche Klärung der rückwirkenden Änderung des § 61c Abs. 2 EEG 2021 wünschenswert.

(19. Februar 2021)