Das Osterpaket des BMWK vom 6. April 2022

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat dem Bundeskabinett am 6. April 2022 ein umfangreiches Gesetzespaket vorgelegt, mit dem insbesondere der Ausbau der erneuerbaren Energien vorangetrieben werden soll.

Angepasst werden sollen das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG), das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), das Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG), das Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz (NABEG) sowie weitere Gesetze und Verordnungen im Energierecht.

Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG 2023)

Ziel ist, dass die inländische Stromerzeugung im Jahr 2035 nahezu vollständig durch erneuerbare Energien erfolgen soll. Auf dem Weg dorthin wird das Ausbauziel für das Jahr 2030 auf 80 Prozent erneuerbare Energien angehoben. Im Jahr 2021 lag der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch erst bei 42 Prozent. Um das 80 Prozent Ziel zu erreichen, muss die Stromerzeugung von derzeit etwa 240 TWh auf 600 TWh im Jahr 2030 erhöht werden.

Zu diesem Zweck werden die Ausbauraten für die Windenergie an Land auf ein Niveau von 10 Gigawatt pro Jahr gesteigert, so dass im Jahr 2030 rund 115 Gigawatt Windleistung in Deutschland installiert sein sollen. 2030 sollen zudem rund 215 Gigawatt Solarleistung in Deutschland installiert sein, dafür wird die Ausbaurate auf ein Niveau von 22 Gigawatt pro Jahr gesteigert. Im Jahr 2021 waren etwa 56 Gigawatt Windleistung und 59 Gigawatt Solarleistung in Deutschland installiert.

Vorfahrt für Erneuerbare Energien in der Abwägung

Vor dem Hintergrund des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine wird im EEG 2023 der Grundsatz verankert, dass die Nutzung erneuerbarer Energien im überragenden öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit dient. Die erneuerbaren Energien müssen bis zum Erreichen der Treibhausgasneutralität als vorrangiger Belang in die Schutzgüterabwägung eingebracht werden. Das bedeutet, dass der Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien im Rahmen von Abwägungsentscheidungen gegenüber Wasserschutzgebieten, Bau- und Straßenrecht, Denkmalschutz, Forst-, Immissionsschutz und Naturschutzrecht nur in Ausnahmefällen überwunden werden. Nach der Gesetzesbegründung können öffentliche Interessen den erneuerbaren Energien als wesentlicher Teil des Klimaschutzgebotes nur dann entgegenstehen, wenn sie mit einem dem Art. 20a GG vergleichbaren verfassungsrechtlichen Rang gesetzlich verankert bzw. gesetzlich geschützt sind. Der Vorrang gilt nicht gegenüber der Landes- und Bündnisverteidigung.

Stärkung der Solarenergie

Bei der Solarenergie erhalten neue Dachanlagen, die ihren Strom vollständig in das Netz einspeisen, eine Förderung von bis zu 13,8 ct/kWh. Die Ausschreibungsmengen für große Dachanlagen werden angehoben. Freiflächenanlagen können zukünftig auch auf Moorböden betrieben werden. Auch Floating-PV, d.h. schwimmende Solaranlagen und Agri-PV auf Landwirtschaftsflächen sowie auf Parkplätzen werden gefördert. Wind- und Solarprojekte von Bürgerenergiegesellschaften werden von den Ausschreibungen ausgenommen, um sie unbürokratisch realisieren zu können. Dies gilt für Windprojekte bis 18 MW und Solarprojekte bis 6 MW.

Die finanzielle Beteiligung der Kommunen an Wind- und Solarprojekten ist nun auch bei Windenergieanlagen an Land in der sonstigen Direktvermarktung möglich.

Innovationsausschreibungen werden auf eine gleitende Marktprämie umgestellt. Die gleitende Marktprämie gleicht die Differenz zwischen dem an der Börse erzielbaren Wert für die Vermarktung von erneuerbaren Energien und dem wettbewerblich ermittelten Gebotswert in der Ausschreibung aus. Je höher der Vermarktungswert an der Börse ist, desto geringer fällt die Marktprämie aus.

Förderung von Wasserstoffprojekten

Auf Basis einer neuen Verordnung, die noch im Jahr 2022 erlassen werden soll, sollen Anlagenkombinationen bestehend aus Windenergieanlagen an Land oder Solaranlagen und einem chemischen Stromspeicher mit Wasserstoff als Speichergas gefördert werden. Der chemische Stromspeicher soll überschüssigen Strom speichern, um ihn später in das Stromnetz einzuspeisen. Voraussetzung ist u.a., dass der gespeicherte Wasserstoff ausschließlich durch Elektrolyse aus dem Strom der Anlagenkombination erzeugt worden ist und ausschließlich für die Erzeugung von Strom verwendet wird. Der Energielieferant, d.h. die Windenergieanlage oder Solaranlage und der Stromspeicher speisen den Strom über einen gemeinsamen Netzverknüpfungspunkt ein.

Neue Biomethan- und KWK-Anlagen sollen auf Wasserstoff ausgerichtet werden, um sie kompatibel für die Transformation zu einer nachhaltigen und treibhausgasneutralen Energieversorgung zu machen. Die Anlagen müssen ab dem 1. Januar 2028 mit höchstens 10 Prozent der Kosten einer möglichen Neuerrichtung so umgestellt werden können, dass sie ausschließlich auf der Basis von Wasserstoff betrieben werden können. Erfasst werden nur Anlagen mit einer Leistung von mehr als 10 Megawatt, die nach dem 30. Juni 2023 nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) genehmigt worden sind. Die Umstellung soll nicht sofort und gleichzeitig ab dem 1. Januar 2028 erfolgen, sondern nach und nach abhängig vom Fortschreiten des Wasserstoffhochlaufs, d.h. der verfügbaren Mengen an Wasserstoff und dem Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur.

Verschärfung des Maisdeckels

Es soll ein umwelt- und naturverträglicher Ausbau der erneuerbaren Energien sichergestellt werden. Die Regelungen des „Maisdeckels“ werden schrittweise verschärft, d.h. es darf nur ein bestimmter Anteil Mais verwendet werden. Das soll die ökologischen Folgeschäden aus der „Vermaisung“ der Landschaft reduzieren und einen Anreiz zur Verwertung von Abfall- und Reststoffen in Biogasanlagen setzen. Biomethan soll künftig nur noch in hochflexiblen Spitzenlastkraftwerken eingesetzt werden, die höchstens an 10 Prozent der Stunden eines Jahres Strom erzeugen.

Sondervermögen „Energie- und Klimafonds“ ersetzt EEG-Umlage

Die Finanzierung erneuerbarer Energien läuft künftig über das Sondervermögen „Energie- und Klimafonds“. Die EEG-Förderung über den Strompreis wird beendet. Umgesetzt wird dies über Bundeszuschüsse auf das EEG-Konto der Übertragungsnetzbetreiber. Die EEG-Umlage wird zum 1. Juli 2022 auf null gesenkt und entfällt vollständig zum 1. Januar 2023. Der Gesetzentwurf sieht ein neues Energie-Umlagen-Gesetz (EnUG) vor. Die KWKG-Umlage und die Offshore-Netzumlage werden nur für die Entnahme von Strom aus dem öffentlichen Netz erhoben. In Bezug auf die Herstellung von Grünem Wasserstoff sehen die Regelungen des EnUG eine Umlagebefreiung für die Netzentnahme von Strom vor, der zur Herstellung von Grünem Wasserstoff verbraucht wird. Grüner Wasserstoff meint solchen Wasserstoff, der durch Elektrolyse von Wasser hergestellt wird, wobei für die Elektrolyse ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien zum Einsatz kommt. Wärmepumpen werden von den Umlagen befreit.

Neue Pflichten für die Stromkennzeichnung

Bei der Stromkennzeichnung muss künftig angegeben werden, in welchem Staat der erneuerbare Strom erzeugt worden ist. Die Angabe ist sowohl im Gesamtenergieträgermix als auch im Produktmix erforderlich. Das Umweltbundesamt (UBA) prüft die Richtigkeit der Stromkennzeichnung und kann im Fall der Unrichtigkeit gegenüber dem betreffenden Stromlieferanten die erforderlichen Maßnahmen zur Sicherstellung der Richtigkeit anordnen. Die Kopplung von Herkunftsnachweisen an den zugrundeliegenden Strom soll nicht mehr bei der Ausstellung der Herkunftsnachweise, sondern erst bei deren Entwertung geprüft und bestätigt werden. Bei der gekoppelten Lieferung hat der Anlagenbetreiber die Strommenge, die dem Herkunftsnachweis zugrunde liegt, an ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen veräußert und geliefert.

Die EEG-Novelle sieht eine Verordnungsermächtigung vor, auf deren Grundlage Anpassungen am Fördersystem vorgenommen werden können. Insbesondere können sog. Contracts for Difference eingeführt und geregelt werden. Dabei handelt es sich um Verträge zur Absicherung eines unsicheren Preises. Vor Projektbeginn wird ein sogenannter CfD-Preis ermittelt, der für einen bestimmten Zeitraum gilt. Liegt der zugrundeliegende Preis, etwa der durchschnittliche Strompreis, unter diesem festgelegten CfD-Preis, erhält der Anlagenbetreiber die Differenz als Zuzahlung. Liegt der Strompreis über dem CfD-Preis, zahlt der Anlagenbetreiber die Differenz an den Käufer.

Novelle des Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG)

Die Ausbauziele werden auf 30 Gigawatt bis zum Jahr 2030, 40 Gigawatt bis zum Jahr 2035 und 70 Gigawatt bis zum Jahr 2045 angehoben. Zentral voruntersuchte Flächen werden über Differenzverträge (Contracts for Difference) mit zwanzigjähriger Laufzeit gefördert. Nicht zentral voruntersuchte Flächen werden ausgeschrieben und anhand qualitativer Kriterien und eines ergänzenden Zahlungsgebots des Bieters bezuschlagt. Kriterien sind der Energieertrag der Anlage, der Abschluss eines Power Purchase Agreements, die Vereinbarkeit mit Natur- und Artenschutz sowie die Recyclingfähigkeit der Rotorblätter. Der Ausbau der Offshore Windparks wird beschleunigt: Planfeststellungsbeschlüsse für Offshore-Windanlagen sollen innerhalb von 18 Monaten erteilt werden. Bei voruntersuchten Flächen wird das Planfeststellungsverfahren durch ein zügigeres Plangenehmigungsverfahren ersetzt. Außerdem sollen Umweltprüfungen und Beteiligungsrechte stärker gebündelt werden.

Offshore-Ausbau im überragenden öffentlichen Interesse

Wie der Ausbau erneuerbarer Energien an Land steht auch der Offshore-Ausbau künftig im überragenden öffentlichen Interesse, was von den Behörden im Rahmen der Abwägung mit anderen Rechtsgütern berücksichtigt werden muss. Der Bau von Windenergieanlagen in Schutzgebieten unterliegt der Prüfung im Einzelfall, ob durch den Bau der Schutzzweck des Schutzgebiets beeinträchtigt wird. Über einen Antrag auf Repowering wird in einem Plangenehmigungsverfahren entschieden, wobei nur solche Auswirkungen geprüft werden, die sich im Vergleich zum Ist-Zustand der genehmigten Anlage nachteilig auswirken können.

Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG), des Bundesbedarfsplangesetzes (BBPlG) und des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes Übertragungsnetz (NABEG)

Die Änderungen des EnWG sollen die Rechte von Endkunden stärken und die Grund- und Ersatzversorgung neu strukturieren. Die planmäßige Beendigung der Belieferung von Haushaltskunden ist der Bundesnetzagentur (BNetzA) mindestens drei Monate im Voraus anzuzeigen und die betroffenen Kunden sind zu informieren. Die BNetzA veröffentlicht monatlich die Energielieferanten, die in den jeweils letzten zwölf Monaten die Beendigung ihrer Tätigkeit angezeigt haben.

Keine Preisspaltung in der Grundversorgung

Die Grund- und Ersatzversorgung wird neu strukturiert. § 36 EnWG stellt nun ausdrücklich klar, dass Energieversorgungsunternehmen bei den Allgemeinen Bedingungen und Allgemeinen Preisen nicht nach dem Zeitpunkt des Zustandekommens des Grundversorgungsvertrags unterscheiden dürfen. Hintergrund dieser Neuregelung sind die Lieferstopps zahlreicher Energieversorger Ende 2021 und der daraus resultierende hohe Zuwachs von Kunden in der Grund- und Ersatzversorgung. In der Folge führten einige Versorger „gesplittete“ Tarife ein für Bestandskunden einerseits und Neukunden andererseits. In der Grundversorgung sind gesplittete Tarife mit der Neuregelung nicht mehr zulässig.

Gleichlauf zwischen Grund- und Ersatzversorgung beendet

Endet der Liefervertrag eines Kunden durch Kündigung des Energieversorgers oder auf andere Weise, fällt der Haushaltskunde zukünftig ausschließlich in die Ersatzversorgung und kann erst nach drei Monaten in die Grundversorgung wechseln. Zudem wird die Gleichpreisigkeit der Grund- und Ersatzversorgung aufgehoben. Gemäß § 38 EnWG können Ersatzversorger zukünftig Tarife anwenden, die oberhalb des Grundversorgungstarifs liegen. In diesem Fall müssen die Beschaffungskosten gesondert ausgewiesen werden und dürfen kalkulatorisch nicht höher angesetzt werden, als sie sich für den Fall einer kurzfristigen Beschaffung der erforderlichen Energiemengen über Börsenprodukte ergeben würden.

Die Ersatzversorgungstarife können jeweils zum 1. und zum 15. Tag eines Kalendermonats neu ermittelt werden und ohne Einhaltung einer Frist durch Veröffentlichung auf der Internetseite angepasst werden. Die Preise der Ersatzversorgung der mindestens letzten sechs Monate müssen online veröffentlicht werden.

Im Rahmen des Bundesbedarfsplangesetzes werden 19 neue Netzausbauvorhaben in den Bundesbedarfsplan aufgenommen und 17 Netzausbauvorhaben geändert. Für die neuen und geänderten Netzausbauvorhaben wird die energiewirtschaftliche Notwendigkeit und der vordringliche Bedarf festgestellt.

Das Ziel der Treibhausgasneutralität wird in § 1 EnWG aufgenommen.

(10. Mai 2022)