Auswirkungen der MiFID II auf die Energie­wirtschaft

Anfang des Jahres ist das „Zweite Finanzmarktnovellierungsgesetz“ in Kraft getreten, mit dem der deutsche Gesetzgeber unter anderem die Vorgaben aus der europäischen MiFID II-Richtlinie (Richtlinie 2014/65/EU (Markets in Financial Instruments Directive)) umgesetzt hat. Das Gesetzespaket betrifft die Finanzmarktregulierung und dient insbesondere der Verhinderung exzessiver Spekulationen durch computergesteuerten Hochfrequenzhandel und den Handel von Lebensmitteln und Rohstoffen. Auswirkungen haben die Regelungen aber auch auf Unternehmen der Energiewirtschaft.

Anwendungsbereich der MiFID II

Zunächst unterfallen bestimmte Dienstleistungen dem Anwendungsbereich der MiFID II. Unternehmen – auch aus der Energiewirtschaft – bedürfen einer Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nach § 32 Kreditwirtschaftsgesetz (KWG), wenn sie Bankgeschäfte (§ 1 Abs. 1 S. 2 KWG) oder Finanzdienstleistungen (§ 1 Abs. 1a S. 2 KWG) erbringen. Dabei sind sog. Eigengeschäfte von der Erlaubnispflicht ausgenommen, wenn sie ausschließlich der Absicherung der eigenen Unternehmensrisiken („hedging“, § 32 Abs. 1a S. 3 Nr. 1 KWG) dienen.

Die MiFID II erweitert aber auch den Anwendungsbereich der bisherigen Regelung der MiFID I hinsichtlich der Definition des Finanzinstruments und beschränkt gleichzeitig die Ausnahmeregelungen. Die Konsequenz ist, dass auch Energieversorgungsunternehmen, die keine Bank- oder Finanzdienstleistungen erbringen, prüfen müssen, ob sie Finanzinstrumente im Sinne des KWG handeln und daher unter den erweiterten Anwendungsbereich der MiFID II fallen. Ist dies der Fall, bedürfen auch diese Unternehmen einer Erlaubnis nach § 32 KWG und haben Meldepflichten zu erfüllen. Betroffen sind in diesem Zusammenhang insbesondere die Beschaffungs- und Vermarktungssparten von Versorgungsunternehmen, die im Energiehandel tätig sind.

Energiehandelsgeschäfts als erlaubnispflichtiger Handel mit Finanzinstrumenten

Der Anwendungsbereich der MiFID II umfasst Finanzinstrumente im Sinne des § 1 Abs. 11 KWG. Nach § 1 Abs. 11 Nr. 8 KWG sind Derivate Finanzinstrumente im Sinne des Gesetzes. Derivate sind nach § 1 Abs. 11 Satz 4 Nr. 2b KWG Termingeschäfte mit Bezug auf Waren, sofern sie auf einem organisierten Markt oder in einem multilateralen oder organisierten Handelssystem geschlossen werden. Ein organisiertes Handelssystem besteht bereits, wenn Kauf- und Verkaufsaufträge durch einen eingeschalteten Vermittler (Broker) zusammengeführt werden (BDEW, Anwendungshilfe MiFID II, 2. Ausgabe, 11.12.2017, Seite 16). Danach fallen auch die im Energiehandel weit verbreitete Terminkontrakte in den Anwendungsbereich der MiFID II.

Es gelten jedoch Ausnahmen: Jedenfalls vom Anwendungsbereich der MiFID II ausgenommen sind sog. Kassageschäfte (§ 1 Abs. 11 Satz 4 a.E. KWG). Dies sind nach Art. 7 Abs. 2 der Durchführungsverordnung zur MiFID II (DVO (EU) 2017/980) solche Geschäfte, bei denen die Lieferung der Ware unmittelbar erfüllt wird (Spotgeschäfte). Als Frist gelten hierbei zwei Handelstage oder die üblicherweise vom Markt akzeptierten Fristen. Darüber hinaus sind Energietransaktionen unter bestimmten Voraussetzungen ausdrücklich nach § 1 Abs. 11 Satz 4 Nr. 2b (letzter Halbsatz) KWG vom Anwendungsbereich ausgenommen. Termingeschäfte, die sich auf Energiegroßhandelsprodukte beziehen, über ein organisiertes Handelssystem gehandelt und effektiv geliefert werden, sind von den Regelungen der MiFID II ausgenommen (sog. „REMIT Carve-out“). Damit fallen Energiehandelsgeschäfte, die bereits nach der REMIT-Verordnung (Verordnung EU 1227/2011 über die Integrität und Transparenz der Energiegroßmärkte) meldepflichtig und physisch zu erfüllen sind, nicht in den Anwendungsbereich der MiFID II. Dies gilt insbesondere für rein bilateral ausgehandelte Verträge, die eine physische Energielieferung betreffen, da die Transaktion nicht durch einen Vermittler zustandekommt.

Nebentätigkeitsausnahme für Versorgungsunternehmen

Unternehmen der Energiewirtschaft, die Transaktionen durchführen, die nicht die Voraussetzungen der dargestellten Ausnahmen erfüllen, können dennoch unter bestimmten Kriterinen von der Erlaubnispflicht nach dem KWG befreit sein. Die bisher geltende sog. Warenhändlerausnahme (Art. 2 Abs. 1 lit. k MiFID I) wurde zwar gestrichen. Danach waren Personen von der Erlaubnispflicht befreit, deren Haupttätigkeit im Handel mit Waren und/oder Warenderivaten auf eigene Rechnung bestand. Versorgungsunternehmen, die bislang erlaubnisfrei handeln konnten, müssen daher prüfen, ob ihre Tätigkeit auch weiterhin befreit ist.

Eine Befreiung kommt jedoch nach der sog. Nebentätigkeitsausnahme in Betracht, welche für Finanzdienstleistungen (§ 2 Abs. 6 S. 1 Nr. 11 KWG), Bankgeschäfte (§ 2 Abs. 1 Nr. 9 KWG) sowie Eigengeschäfte (§ 32 Abs. 1a S. 3 Nr. 3 KWG) gilt. Erlaubnispflichtige Handlungen und Transaktionen sind danach gegenüber dem Hauptgeschäft als Nebentätigkeiten zu verstehen, wenn sie einerseits bestimmte Schwellenwerte im Verhältnis zum Markt nicht überschreiten (Marktanteilstest) und zudem den kleineren Teil der Tätigkeit innerhalb der Unternehmensgruppe darstellen (Haupttätigkeitstest). Zur Berechnung des Marktanteils wird das Gesamtvolumen der Kontrakte eines Unternehmens bzw. einer Unternehmensgruppe (der sog. Bruttonennwert) je Segment (Strom, Gas etc.) abzüglich privilegierter Geschäfte ins Verhältnis zu der gesamten Handelstätigkeit in der EU gesetzt. Die Schwellenwerte der einzelnen Segmente sind in Art. 2 Abs. 1 der DVO (EU) 2017/592 geregelt. Für den Haupttätigkeitstest stehen mit dem „Trading Activity Test“ und dem „Capital Employed Test“ zwei Verfahren zur Wahl. Der „Trading Activity Test“ setzt den Bruttonennwert der Unternehmensgeschäfte abzüglich bestimmter privilegierter Tätigkeiten ins Verhältnis zum Bruttonennwert aller Kontrakte der Unternehmensgruppe. Beim „Capital Employed Test“ sind 15 % der Netto- bzw. 3 % der Bruttopositionen des Unternehmens, jeweils multipliziert mit dem Preis des Warenderivats, durch die Summe des für die Haupttätigkeit des Unternehmens eingesetzte Kapital zu teilen. Die Nebentätigkeitsausnahme wird hiernach für Werte unterhalb von 10 % gewährt. Die Inanspruchnahme einer Nebentätigkeitsausnahme setzt eine jährliche Anzeige bei der BaFin voraus.

Fazit zur Erlaubnispflicht von Energietransaktionen nach Umsetzung von MiFID II

Eine erste Einschätzung, ob Energietransaktionen eines Unternehmens nach den Bestimmungen der MiFID II und dem KWG erlaubnispflichtig sind, lässt sich anhand der folgenden Punkte vornehmen:

  • Fallen die Energietransaktionen unter die Definition des Finanzinstruments i.S. d. § 1 Abs. 11 KWG?

Dies ist der Fall, wenn die Transkation ein Termingeschäft mit Bezug auf Waren ist und auf einem organisierten Markt oder in einem multilateralen oder organisierten Handelssystem geschlossen worden ist.

  • Handelt es sich um Spotgeschäfte, die erlaubnisfrei sind?

Nach § 1 Abs. 11 Satz 4 a.E. KWG sind sog. Kassageschäfte, bei denen die Lieferung der Ware unmittelbar erfüllt wird (Spotgeschäfte) von der Erlaubnispflicht befreit. Als Frist gelten hierbei zwei Handelstage oder die üblicherweise vom Markt akzeptierten Fristen.

  • Handelt es sich um Energietransaktionen, die in den Anwendungsbereich des REMIT Carve-out fallen und daher erlaubnisfrei sind?

Energiehandelsgeschäfte, die bereits nach REMIT meldepflichtig und physisch zu erfüllen sind, fallen nicht in den Anwendungsbereich der MiFID II. Dies gilt insbesondere für rein bilateral ausgehandelte Verträge, die eine physische Energielieferung betreffen, da die Transaktion nicht durch einen Vermittler zustandekommen.

  • Greift für die jeweilige Energietransaktion die sog. Nebentätigkeitsausnahme?

Finanzdienstleistungen, die gegenüber dem Hauptgeschäft lediglich eine Nebentätigkeit darstellen und nach dem Marktanteils- sowie Haupttätigkeitstest bestimmte, in der DVO (EU) 2017/592 geregelte Schwellenwerte nicht überschreiten, sind nach der Nebentätigkeitsausnahme von der Erlaubnispflicht befreit.

Im Ergebnis ist für alle Energietransaktionen im Einzelfall zu prüfen, ob sie ein erlaubnispflichtiges Finanzinstrument darstellen und damit der MiFID II unterfallen oder ob gegebenenfalls Ausnahmetatbestände einschlägig sind.

(29. März 2018)