Anpassung des MsbG an den Beschluss des OVG Münster

Das BMWi hat noch vor der Sommerpause auf den Beschluss des OVG Münster vom 4. März 2021 reagiert und einen Entwurf zur Änderung des Messstellenbetriebsgesetzes (MsbG) erarbeitet. Soweit die Änderungen auf die Tagesordnung der letzten verbleibenden Sitzungswochen des Bundestages gelangen, bestünde die Chance, dass drängende Fragen zu Bestandsschutz und Fortgang des Rollouts noch vor der Sommerpause geklärt werden.

Hintergrund des Entwurfs ist der im Eilrechtsschutzverfahren ergangene Beschluss des OVG Münster (wir berichteten), der die Markterklärung des BSI vom 24. Februar 2020  für offensichtlich rechtswidrig erklärte und dem BSI zahlreiche formelle und materielle Mängel im Umgang mit dem MsbG bescheinigte. Rechtswidrig waren nach Ansicht des OVG Münster unter anderem die unterbliebene Zertifizierung der Interoperabilität der Messsysteme, die Verfehlung der Anforderungen des § 21 Abs. 1 MsbG durch die zertifizierten Systeme und die vom BSI vorgenommene Differenzierung nach Einbaugruppen im Rahmen der Markterklärung.

Diesen Defiziten will der Entwurf abhelfen. Dazu sind drei maßgebliche Neuerungen vorgesehen.

Erstens werden durch eine neue Begriffsdefinition des intelligenten Messsystems in § 2 Nr. 7 MsbG maßgebliche Funktionen des Smart-Meter-Gateways aus dem Gateway hin zu anderen Marktteilnehmern verlagert. Das intelligente Messsystem (iMsys) muss nun nur noch gemeinsam mit den „informationstechnischen Systemen weiterer Berechtigter nach § 49 Absatz 2“ die Anforderungen der §§ 21 und 22 MsbG erfüllen. Faktisch wird dadurch das intelligente Messsystem zum „Gemeinschaftsprojekt“ aller Berechtigter im Sinne von § 49 Abs. 2 MsbG. Nur über deren informationstechnische Systeme kann das iMsys seine Einsatzzwecke erfüllen. Kritisch ist zu bemerken, dass die „Berechtigten im Sinne von § 49 Absatz 2“ (Direktvermarkter, Lieferanten etc.) nicht an den Erlösen des Betriebs des intelligenten Messsystems partizipieren. Insbesondere kommen die in den Preisobergrenzen festgesetzten Erlöse den weiteren Berechtigten in keiner Weise zu Gute, obwohl sie aufgrund der Neudefinition faktisch zur Erfüllung der Voraussetzungen des iMsys mit beitragen.

Ferner beabsichtigt das BMWi eine neue Bestandsschutzregelung durch die Erweiterung des bisherigen Bestandsschutzes in § 19 Abs. 5 um einen neuen Absatz 6. Die Klärung des Umgangs mit den bereits verbauten und noch einzubauenden Systemen war eine der drängendsten Anliegen der Branche im Nachgang zu der Entscheidung des OVG Münster. Nach § 19 Abs. 6 MsbG-E sind der Einbau und die weitere Nutzung durch eine Feststellung des BSI bedingt, die zwei Regelungsinhalte verfolgt. Erstens soll das BSI feststellen, dass die Nutzung der betroffenen intelligenten Messysteme nicht mit unverhältnismäßigen Gefahren verbunden ist. Zweitens enthält die Verfügung die Feststellung, dass die betroffenen intelligenten Messsysteme entweder über gültige Zertifikate nach § 24 Abs. 4 verfügen oder zu erwarten ist, dass für die betroffenen intelligenten Messsysteme gültige Zertifikate nach § 24 Abs. 4 MsbG innerhalb von zwölf Monaten vorliegen werden. Der Regelungsansatz des BMWi darf an dieser Stelle als ungewöhnlich bezeichnet werden, da er an die „Erwartung“ einer Behörde über den Ausgang eines Verwaltungsverfahrens anknüpft. Bemerkenswert ist an § 19 Abs. 6 MsbG-E ferner, dass die bereits verbauten und zertifizierten Messsysteme trotz der Entscheidung des OVG Münster weiterhin als „intelligente“ Messsysteme im Sinne von § 2 Nr. 7 MsbG bezeichnet werden. Im Gegensatz zu der Bestandsschutzregelung in § 19 Abs. 5 MsbG ist in § 19 Abs. 6 MsbG-E explizit von intelligenten Messsystemen die Rede. Das BMWi vertritt damit offenbar die Auffassung, dass die bis zur Entscheidung des OVG Münster zertifizierten Messsysteme den materiellen (und durch die Novelle abgemilderten) Anforderungen des MsbG entsprechen und lediglich die (Re-)Zertifizierung i. S. v. § 24 Abs. 4 MsbG fehlt.

Als dritte wesentliche Änderung wird der Katalog der Mindestanforderungen an intelligente Messsysteme weitgehend dem BSI überantwortet. Dies geschieht über einen auf den ersten Blick kosmetischen Zusatz in § 21 Abs. 1 MsbG, wonach dessen Mindestanforderungen nur noch „nach dem Stand der Technik nach Maßgabe des § 22“ erfüllt werden müssen. § 22 MsbG wiederum verweist in seinem Absatz 2 auf die Schutzprofile und technischen Richtlinien des BSI. Hierdurch kann von dem Mindestanforderungskatalog in § 21 MsbG durch die Schutzprofile und technischen Richtlinien des BSI abgewichen werden. Bei den künftigen Anforderungen an ein intelligentes Messsystem überantwortet der Gesetzgeber dem BSI damit einen extrem weiten Gestaltungsspielraum.

Im Übrigen enthält der Entwurf weitere Änderungen zur Heilung der von dem OVG Münster festgestellten Mängel in der Umsetzung des MsbG. So lässt der neue Entwurf nun eine Differenzierung des Pflichtrollouts nach Einbaugruppen zu und passt damit das MsbG der Verwaltungspraxis des BSI an. Zudem enthält er eine Abkehr von dem Prinzip der sternförmigen Kommunikation direkt aus dem Smart-Meter-Gateway. Auf Basis von Festlegungen der Bundesnetzagentur soll es zeitlich unbegrenzt möglich sein, dass – wie bereits jetzt im Rahmen der MaKo 2020 vorgesehen – die Übermittelung und Aufbereitung der Messwerte durch den Messstellenbetreiber und nicht im Smart Meter Gateway erfolgt. Schließlich wird an diversen Stellen der Begriff „Zertifikat“ durch den Plural ersetzt, um den entsprechenden Nachzertifizierungen insbesondere der Interoperabilität zur Geltung zu verhelfen.

Die Frage, ob sich nach der Entscheidung des OVG Münster das BSI dem MsbG anpassen werde oder – umgekehrt – das MsbG der Verwaltungspraxis des BSI, hat das BMWi zugunsten der zweiten Variante beantwortet. Der Änderungsentwurf ist damit ein Versuch der Schadensbegrenzung. Eine Verzögerung des Rollouts soll in jedem Fall verhindert werden.

(31. Mai 2021)