Digitalisierung der Energiewirt­schaft – Blockchain

Seit einiger Zeit macht die Blockchain-Technologie nicht mehr nur im Finanzsektor von sich reden. Immer häufiger wird auch die Anwendung Blockchain-basierter Geschäftsmodelle in der Energiewirtschaft diskutiert. Erste Pilotprojekte zur Erprobung der Technologie im Stromsektor wurden in Deutschland und seinen Nachbarstaaten bereits begonnen. Während jedoch die einen in der Blockchain-Technologie im Zusammenspiel mit dezentralen Erzeugungsanlagen den Beginn ganz grundlegender Veränderungen des Strommarkts sehen, verweisen Skeptiker auf die noch vielfältigen rechtlichen Unwägbarkeiten und die komplexen regulatorischen Vorgaben in der Energiewirtschaft, die auch Blockchain-basierte Modelle einhalten müssen.

Was ist die Blockchain? – vereinfachte Darstellung

Bei der Blockchain handelt es sich um eine digitale, dezentrale Datenbank zur Verifizierung und Speicherung von Daten, insbesondere von Transaktionen. Bei jeder Transaktion oder Dateneintragung werden diese Daten zusammen mit anderen zeitgleichen (Transaktions-)Daten verschlüsselt in Datenblöcke zusammengefügt. Diese Datenblöcke werden um immer wieder neue Blöcke ergänzt, die sich aneinanderreihen und so die Blockchain mit all diesen Transaktionsdaten bilden. Die Transaktionen können über die Blockchain direkt zwischen den Betroffenen ohne zwischengeschalteten Intermediär durchgeführt werden (sog. peer-to-peer oder p2p).

Dezentral ist die Datenbank, da sie zeitgleich bei allen Teilnehmern des Netzwerks der jeweiligen Blockchain geführt wird und dabei sämtliche Daten auch bei allen Teilnehmern gespeichert werden. Wird ein neuer Block an die Blockchain angefügt, wird dieser Datenblock dezentral gespeichert, vom Netzwerk verifiziert und dann weiterer Bestandteil der Datenkette. Unterschieden werden muss dabei zwischen öffentlichen Blockchains, an denen theoretisch jeder teilnehmen kann, sowie privaten Blockchains, die nur einem begrenzten Kreis (z.B. Kunden eines Unternehmens oder nur unternehmensinternen Teilnehmern) und nach Zustimmung des Begründers der jeweiligen Blockchain (z.B. eines Unternehmens) oder des Netzwerks nach zuvor festgelegten Bedingungen zugänglich sind. Im Falle der privaten Blockchain kann eine zentrale Instanz der Datenbank bestehen bleiben. Stark vereinfacht kann man sich die Blockchain also vorstellen wie ein Grundbuch oder Register, das identisch an verschiedenen Stellen liegt und ständig parallel ergänzt wird.

Vorteile der Blockchain

Die Blockchain, jedenfalls soweit sie öffentlich ist, gilt als manipulationssicher, da die verifizierten Daten dezentral auf vielen Rechnern im Netzwerk verteilt gespeichert werden. Werden die Daten auf einem Rechner manipuliert, bleiben die Daten auf den anderen Rechnern korrekt erhalten, sodass die Manipulation sichtbar wird. Eine nachträgliche Manipulation ist daher kaum bzw. nur mit enormem Aufwand möglich (z.B. durch Manipulation auf 51 % der Netzwerkrechner). Zudem lassen sich Transaktionen oder Dateneintragungen ganz genau nachvollziehen. Durch das Ausschalten eines Intermediärs lassen sich Transaktionen schneller verifizieren und durchführen und Transaktionskosten reduzieren.

Ferner kann die Blockchain als Basis für sogenannte „smart contracts“, also „intelligente“ automatisierte Verträge dienen. Dabei werden die zwischen den Parteien vereinbarten Vertragsbedingungen in Programmiercodes übersetzt, sodass der Vertrag unter diesen Bedingungen automatisiert durchgeführt wird oder aber bei Nichteinhaltung der Bedingungen durch eine Partei die vereinbarten Konsequenzen (z.B. Unterbrechung der Gegenleistung) automatisch eintreten. Der „smart contract“ ist hierbei also nicht eigentlicher Vertrag, sondern die digitale Umsetzung dessen zwecks automatisierter Durchführung. Technisch ist es zudem möglich, dass die Parteien unabhängig voneinander Bedingungen definieren, zu denen sie Verträge abschließen wollen und bei Übereinstimmung dieser Bedingungen die Verträge sogleich automatisch ohne weiteres Zutun der Parteien „geschlossen“ und durchgeführt werden.

Anwendungsfälle für die Energiewirtschaft

In der Energiewirtschaft wird eine Vielzahl von Anwendungsfällen der Blockchain diskutiert. In ersten Projekten wird die Anwendung bereits sogar erprobt. Interessant ist die Anwendung insbesondere für die Vermarktung und Abrechnung von dezentral selbsterzeugtem Strom aus Erneuerbarer Energie, für die Vernetzung von Ladesäulenanbietern und E-Mobility-Nutzern, die Abrechnung und Bezahlung von Ladevorgängen sowie für die Optimierung des Netzbetriebs. Ebenso bietet sich die Technik für peer-to-peer-Energiehandel an. Durch die direkte Vernetzung von Kunden und Verkäufern, z.B. selbsterzeugten Stroms aus erneuerbaren Energien, können sich diese aussuchen, von wem sie ihren Strom beziehen bzw. wen sie beliefern wollen, ohne dass es dafür eines zwischengeschalteten Lieferanten bedürfte. Abrechnung und Bezahlung des bezogenen Stroms könnte mit der Blockchain-Technologie automatisch erfolgen. Beispielhaft genannt sei hier das oft erwähnte Brooklyn Microgrid , über das Anwohner in New York selbsterzeugten Solarstrom an ihre Nachbarn liefern. Aber auch die zunächst unter Nutzung der vorhandenen Infrastruktur und Daten aufgebaute Plattform Powerpeers fasst die Möglichkeiten der Blockchain ins Auge. Dabei handelt es sich um einen digitalen Strommarktplatz zur direkten Vernetzung von Stromanbietern und -verbrauchern in den Niederlanden, der den Teilnehmern ermöglicht, sich auszusuchen, wen sie mit ihrem selbsterzeugten Strom beliefern oder von wem sie Strom beziehen wollen. Ein ähnliches Konzept verfolgt die Elblox  Plattform der Schweizer Axpo Gruppe, die seit Ende 2017 bereits in einem Projekt mit den Wuppertaler Stadtwerken im Einsatz ist. Theoretisch ist es so möglich, dass die Kunden den Anbieter deutlich häufiger – bis zu jedem Bilanzierungsintervall – wechseln und sich dabei für jeden Zeitraum automatisch den günstigsten Anbieter suchen lassen.

Weitere Initiativen befassen sich mit Blockchain-basierten Geschäftsmodellen für die Vermarktung und Abrechnung von Ladesäulen für E-Mobile. Die Identifizierung der Kunden und Ladesäulen, die Abrechnung und Bezahlung im Rahmen einer automatisierten Vertragsabwicklung (smart contract) erfolgt dabei mittels Blockchain-basierter Anwendung. Interessant ist hierbei, dass nicht nur öffentliche Ladesäulen erfasst werden, sondern Netzwerkteilnehmer (unter Benutzung entsprechender zusätzlicher Hardware, einen „Smart Plug“ genannten Stecker) auch ihre private Ladesäule zur entgeltliche Nutzung zur Verfügung stellen können. Nach entsprechender Freischaltung und Autorisierung übernimmt das digitale Portemonnaie automatisch die Abrechnung und Zahlung von Ladevorgängen, wobei auch Kleinstmengen abgerechnet werden können. Letzteres wäre insbesondere hilfreich, wenn ein induktives Laden auf der Straße, z.B. beim Warten an einer roten Ampel möglich wird. Weiter bietet das Bezahlsystem neben der Abrechnung und Zahlung von Ladevorgängen auch weitere Möglichkeiten an, wie beispielsweise die Zahlung von Parkgebühren und Maut oder aber Carsharing. Überdies wird in der Diskussion über die Blockchain in der Energiewirtschaft darüber nachgedacht, die registerähnliche Eigenschaft der Technologie zum Nachweis von Grünstromzertifizierungen oder CO2-Emmissionszertifikaten zu nutzen.

Hemmnisse und rechtliche Fragestellungen

Wie oben bereits angesprochen, gibt es aber auch Skepsis, ob die Blockchain-Technologie tatsächlich geeignet ist, die Energiewirtschaft zu revolutionieren. So verhindern die momentanen gesetzlichen Vorgaben eine Anwendung in vielen Fällen. Gerade beim peer-to-peer-Stromhandel zwischen kleinen Selbsterzeugern und z.B. Haushaltskunden (z.B. Nachbarn) würden die Aufgaben, die sonst der herkömmliche Lieferant übernimmt, die Beteiligten wohl meist überfordern und erhebliche Hemmnisse für die Umsetzung solcher Projekte darstellen. Der Grund hierfür liegt darin, dass alle bisherigen Geschäftsmodelle auf dem traditionelle Marktrollenverständnis der Energiewirtschaft beruhen, das einen peer-to-peer-Stromhandel nicht vorsieht. Neben den Pflichten, die aus der direkten Vertragsbeziehung zu den Endkunden folgen, muss der Selbsterzeuger und zukünftige Energieversorger die erforderlichen Nachweise zur Berechtigung der Endkundenbelieferung erbringen sowie alle (strom-)steuerlichen Vorgaben erfüllen. Hinzu kommen die Pflichten in Zusammenhang mit Strombilanzierung und Marktkommunikation. Teilweise können diese Aufgaben gar nicht vollständig auf Dritte ausgelagert werden. Dies gilt insbesondere für die aus der Lieferantenrolle in der Marktkommunikation folgenden Pflichten. Andere Aufgaben könnten zwar auch durch Dienstleister erbracht werden, dann aber wäre die Einsparung des Intermediär wiederum obsolet und die dadurch bezweckte Kosteneinsparung jedenfalls verringert.

Hinzu kommen die Anforderungen an die Netzinfrastruktur, die für Blockchain-basierte Anwendungen im Stromsektor erforderlich sind. Es bedürfte zur Umsetzung intelligenter Messeinrichtungen, welche die relevanten Daten bereitstellen. Auch wenn die hohe Sicherheit zu den Vorteilen der Blockchain gehört, ist abzuwarten, ob die Anwendungen die hohen IT-Sicherheitsanforderungen im Energiesektor einhalten. Zu beachten sind auch Bedenken hinsichtlich der Kosten für die Rechenleistung, welche für die Blockchain benötigt wird und die je nach Ausgestaltung der Blockchain selbst einen hohen Stromverbrauch verursachen kann.

Probleme zivilrechtlicher Art bestehen im Zusammenhang mit „smart contracts“ und der Blockchain. Diese reichen von Fragen des Zustandekommens von Verträgen bei automatischem Vertragsschluss aufgrund vorab definierter Bedingungen bis zum Umgang mit Leistungsstörungen, Rückabwicklung und anfänglicher Nichtigkeit von Verträgen in der unveränderlichen Blockchain-Datenbank. Überdies sind Haftungsfragen bei etwaigen Fehlfunktionen zu bedenken.

Fazit

Blockchain-basierte Anwendungsfälle sind auch in der Energiewirtschaft vielfältig denkbar. Die Relevanz, welche dieser Technologie in der Energiewirtschaft zukommen dürfte, lässt sich anhand der Vielzahl der Pilotprojekte, auch großer Akteure, schon jetzt erahnen. Zugleich wird eine Vielzahl rechtlicher Fragen aufgeworfen, die eine sorgfältige juristische Auseinandersetzung erfordern. In vielen Fällen bedarf es für eine sinnvolle Umsetzung Blockchain-basierter Anwendungen der Anpassung des Rechtsrahmens durch den Gesetzgeber.

(12. Februar 2018)