Erfolg oder Problem: Viele Bürgerenergie­gesellschaften bei BNetzA-Ausschreibungen

Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat am 15. August 2017 für das nunmehr zweite Ausschreibungsverfahren für Windenergieanlagen an Land die Zuschläge erteilt. Wieder war der Anteil der Bürgerenergiegesellschaften auffällig hoch: Die von ihnen eingereichten Gebote stellten 84 Prozent der Gesamtmenge, bei der ersten Runde im Mai 2017 waren es 71 Prozent. Im Ergebnis entfallen 60 Zuschläge (90 Prozent) bzw. 95 Prozent des Zuschlagsvolumens auf Bürgerenergiegesellschaften – im Mai waren es 65 Zuschläge, das sind 93 Prozent der Zuschläge bzw. 96 Prozent des Zuschlagsvolumens. Bei der Frage, ob das als Erfolg zu werten ist, ist allerdings ein genauerer Blick auf das Verfahren gefragt.

Sonderregelungen für Bürgerenergiegesellschaften

Der Grund für den großen Erfolg der Bürgerenergiegesellschaften wird in den für sie geltenden Sonderreglungen des EEG 2017 gesehen: Der Gesetzgeber ging davon aus, dass Kosten-, Preis- und Haftungsrisiken, die mit der Teilnahme an dem Ausschreibungsverfahren einhergehen, für Energiegenossenschaften und andere von Bürgern getragenen Gesellschaften eine große Herausforderung darstellen würde. Um diese Risiken abzumildern und den Bürgergesellschaften die Teilnahme zu erleichtern, hat der Gesetzgeber folglich für sie die Ausschreibungsbedingungen modifiziert (§ 36g EEG 2017). Sie werden vor allem dadurch privilegiert, dass sie Projekte vor Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ins Auktionsverfahren einbringen dürfen. Zudem profitieren sie vom höchsten bezuschlagten Gebotswert der jeweiligen Ausschreibungsrunde, der auch über dem eigenen Gebotswert liegen kann (sog. Einheitsverfahren). Sie bekommen eine längere Projektrealisierungsfrist eingeräumt, da sie die Anlage nicht nur realisieren, sondern auch das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren erfolgreich durchlaufen müssen. Und nicht zuletzt liegen auch eventuell fällige Strafzahlungen für Projekte, die nicht oder verspätet umgesetzt werden (§ 55 EEG 2017) unterhalb der Beträge für andere Bieter.

Das Ausschreibungsergebnis wirft Fragen auf

Die hohe Erfolgsquote der Bürgerenergiegesellschaften bei den beiden Ausschreibungsrunden mag auf den ersten Blick erfreulich sein, scheint doch das Ziel des Gesetzgebers erreicht, mit den Sonderregelungen für Bürgerenergiegesellschaften des EEG 2017 die Akteursvielfalt zu sichern. Insbesondere die BNetzA begrüßt auch das erfreulich hohe Wettbewerbsniveau und die Qualität der Gebote.

Allerdings räumt die BNetzA ein, dass der überwiegende Teil der Bürgerenergiezuschläge an Gesellschaften geht, aus deren Geboten ersichtlich wird, dass sie zumindest organisatorisch einem einzelnen Projektierer zuzuordnen sind. Auf diese Gruppe von Bietern entfallen 37 Zuschläge mit einem Zuschlagsvolumen von 660 MW. Zusätzlich gingen fünf Zuschläge mit 30 MW ohne Bürgerenergieprivileg an weitere Gesellschaften dieses Projektierers. Diese Bieter vereinen insgesamt 68 Prozent der Zuschlagsmenge auf sich. Auch der Branchenverband BDEW warnt vor Fehlentwicklungen. Dennoch soll für die dritte und letzte Ausschreibungsrunde diesen Jahres mit Gebotstermin am 2. November 2017 das Verfahren unverändert fortgeführt werden. Nach Mitteilung der BNetzA gibt es nach der ersten Ausschreibungsrunde keine Hinweise darauf, dass gegen die gesetzlichen Anforderungen verstoßen wurde.

Dies mag auch damit zusammenhängen, dass der Gesetzgeber mit den Sonderregelungen für Bürgerenergiegesellschaften eine lokal verankerte Bürgerenergiegenossenschaft im Sinn hatte, die die Akzeptanz von Windenergie vor Ort erhöht. Dieses Leitbild ist aber im Gesetz nicht hinreichend zum Ausdruck gekommen. So erlaubt insbesondere die freie Wahl der Rechtsform durch Bürgerenergiegesellschaften, dass die gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden können.

„Moratorium“ für Bürgerenergiegesellschaften für die ersten beiden Ausschreibungsrunden in 2018

Der Gesetzgeber hat reagiert und mit dem Mieterstromgesetz vom 17. Juli 2017 eine neue Übergangsregelung für Bürgerenergiegesellschaften in § 104 Abs. 8 EEG 2017 geschaffen. Danach entfallen zahlreiche Privilegien. Bürgerenergiegesellschaften müssen bereits bei Gebotsabgabe eine BImSchG-Genehmigung vorweisen, profitieren nicht mehr von der verlängerten Realisierungsfrist und müssen die Sicherheitsleistung gemäß § 36a EEG 2017 bereits bei Gebotsabgabe vollständig erbringen. Es bleibt aber dabei, dass der Zuschlagswert für Bürgerenergiegesellschaften im Einheitsverfahren festgelegt wird, also der anlegbare Wert für Bürgerenergiegesellschaften weiterhin dem höchsten abgegebenen Gebot entspricht. Je nach Verlauf der Angebotskurve in den Ausschreibungsverfahren stellt dies immer noch einen erheblichen wirtschaftlichen Vorteil dar.

Planungsunsicherheit: Realisierungsrate schwierig einschätzbar

Die große Zahl der Zuschläge für nicht-immissionsschutzrechtlich genehmigte Projekte von Bürgerenergiegesellschaften birgt erhebliche Risiken für die Realisierungswahrscheinlichkeit und -dauer. Insbesondere ist es nahe liegend, dass die Realisierungsfrist von 54 Monaten ausgereizt wird, um nicht zuletzt von technischen Fortschritten und folglich sinkenden Kosten zu profitieren – bei weiterhin bestehendem Genehmigungsrisiko.

(27. September 2017)