UKW-Regulierung: VG Köln beanstandet Preis-Kosten-Scheren durch „Härtefall­regelung“

In einer Eilentscheidung vom 12. Juli 2017 (21 L 2952/15) hat das Verwaltungsgericht (VG) Köln festgestellt, dass die von der Bundesnetzagentur (BNetzA) regulierten Entgelte der MEDIA BROADCAST für die Antennen(mit)benutzung in der ersten Regulierungsperiode unzulässige Preis-Kosten-Scheren aufwiesen. Es hat damit die von der BNetzA praktizierte „Härtefallregelung“ zur Deckelung der individuellen Entgeltsteigerung bei den Radioveranstaltern jedenfalls insoweit für unzulässig erklärt, als sie zu Lasten der Chancen der alternativen Sendernetzbetreiber im Wettbewerb mit dem eigenen Endkundenangebot der MEDIA BROADCAST geht.

Die Entscheidung des VG Köln betrifft den Entgeltbeschluss der BNetzA vom 17. August 2015, in dem die Endnutzer- und die Vorleistungsentgelte der MEDIA BROADCAST für die Zeit vom 1. Januar 2016 bis zum 31. März 2017 reguliert wurden. Die Media Broadcast bietet Radioveranstaltern die Abstrahlung von analogen UKW-Hörfunkprogrammen an und alternativen Sendernetzbetreibern auf der Vorleistungsebene die Nutzung der dafür notwendigen Antennen. Antragstellerin in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht war die DIVICON MEDIA HOLDING, eine alternative Sendernetzbetreiberin. Die beanstandeten Preis-Kosten-Scheren sind darauf zurückzuführen, dass die BNetzA ein neues Preissystem der MEDIA BROADCAST akzeptiert hat. Dieses Preissystem beruht auf einer individuellen Zuordnung der Kosten jedes einzelnen Standorts zu dort abgestrahlten Frequenzen. Damit wird für jede einzelne Standort-Frequenz-Kombination ein gesondertes Entgelt ermittelt. Bei abgelegenen Standorten, von denen nur wenige oder sogar nur eine Frequenz abgestrahlt wird, führt dieses Preissystem zu einer drastischen Verteuerung sowohl auf Endnutzer- als auch auf Vorleistungsebene.

Die BNetzA wäre befugt gewesen, der MEDIA BROADCAST aufzugeben, zu einem System der Tarifeinheit zurückzukehren (§ 29 Telekommunikationsgesetz, TKG), hat aber davon abgesehen. Sie hat stattdessen die mit dem neuen Preissystem verbundenen Preissprünge durch eine „Härtefallregelung“ abgemildert. Mit dieser Härtefallregelung werden die Kostensteigerungen pro Endkunde begrenzt und die überschießenden Beträge auf alle anderen Standort-Frequenz-Kombinationen verteilt. Nach den Feststellungen des VG Köln hat die Härtefallregelung zur Folge, dass alternative Sendernetzbetreiber den Endkunden kein kostendeckendes und konkurrenzfähiges Angebot mehr unterbreiten konnten. Das liegt an der Bindung der Vorleistungsentgelte an die Endkundenentgelte (Retail-Minus-Ansatz). Das Gericht hat deshalb alle Vorleistungsentgelte für Standort-Frequenz-Kombinationen, die von der Härtefallregelung betroffen waren, bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes für „offensichtlich rechtswidrig“ erklärt.

Das VG Köln hat sich in seiner Entscheidung nur auf Standort-Frequenz-Kombinationen im Genehmigungszeitrum bezogen, die der Härtefallregelung unterlagen. Aus der Entscheidung geht jedoch hervor, dass die Härtefallregelung bei allen von ihr betroffenen Standort-Frequenz-Kombinationen rechtswidrig ist.

Inzwischen hat die Bundesnetzagentur Ende 2016 eine neue Regulierungsverfügung erlassen. Darin hat sie den bisherigen Retail-Minus-Ansatz aufgegeben. Die Endnutzerentgelte unterliegen jetzt nur noch der nachträglichen Regulierung. Die Vorleistungen werden anhand des Kostenmaßstabs der effizienten Leistungsbereitstellung genehmigt. Durch Beschlüsse vom 30. März 2017 hat die BNetzA im Wege der nachträglichen Entgeltregulierung die Endnutzerpreise der MEDIA BROADCAST abgesenkt und neue Vorleistungsentgelte für die Antennennutzung durch alternative Sendernetzbetreiber genehmigt. Die Härtefallregelung hat die BNetzA auch in diesen Beschlüssen fortgeführt und darin sogar positiv festgestellt, dass dadurch erneut Preis-Kosten-Scheren entstanden sind. Sie hat jedoch den Standpunkt vertreten, diese Preis-Kosten-Scheren seien durch den notwendigen Schutz der Endkunden vor Preissteigerungen hinzunehmen und daher gerechtfertigt.

Nach der aktuellen Entscheidung des VG Köln ist jedoch, trotz deren vorläufigen Charakters, sehr zweifelhaft, ob die Härtefallregelung aufrechterhalten werden kann. Die entstehenden Preis-Kosten-Scheren dürften sich kaum rechtfertigen lassen; sie wären durch eine weitere Absenkung der Vorleistungsentgelte, wie sie insbesondere auch die Europäische Kommission in ihrer Stellungnahme gefordert hatte, zu beseitigen gewesen.

Die Bundesnetzagentur sollte daher grundsätzlich überdenken, ob die Härtefallregelung geeignet ist, die Kostensteigerungen abzufedern. Näher liegt es, unmittelbar bei der Kostenzuordnung anzusetzen und der MEDIA BROADCAST aufzuerlegen, zu einem System der Tarifeinheit zurückzukehren. Dann käme es gar nicht erst zu den erheblichen Kostensteigerungen und Marktverzerrungen auf der Endkundenebene. Soweit MEDIA BROADCAST zwischenzeitlich angekündigt hatte, alle Antennen zu veräußern, erscheint es allerdings denkbar, dass die Antennen künftig mehr in der Hand mehrerer Betreiber liegen werden. Auch diesen könnte jedoch durch Regulierung ein Preissystem auferlegt werden, das auf dem Grundsatz der Tarifeinheit beruht, also nicht nach Standorten differenziert.

In einer Hand verbleiben wird in jedem Fall der vorgelagerte Engpass, nämlich die eigentlichen Sendestandorte (Funkmasten und Türme), die sämtlich der Deutsche Funkturm GmbH (DFMG) gehören. Die DFMG setzt durch ihre Mietpreise an den einzelnen Standorten die eigentliche Ursache für die deutlichen Kostenunterschiede zwischen den Standorten. Die Bundesnetzagentur hat von einer Regulierung der DFMG bisher Abstand genommen, weil deren Einzelstandorte kein Telekommunikationsnetz im Sinne des TKG darstellten. Diese Einschätzung sollte die Bundesnetzagentur überdenken – angesichts der zwischenzeitlichen Marktentwicklung und der nunmehr vorliegenden Einschätzung der Gerichte im Zuge der ohnehin notwendigen Überprüfung ihrer Marktdefinition und -analyse (§§ 10, 11, 14 Abs. 2 TKG).

(21. Juli 2017)