Kartell­schadens­ersatz nach Markt­missbrauch durch Google?

Google bevorzugt seinen eigenen Preisvergleichsdienst gegenüber der Konkurrenz und hat damit seine marktbeherrschende Stellung auf dem Suchmaschinenmarkt missbraucht: Dies hat die EU-Kommission festgestellt und die Rekordgeldbuße in Höhe von 2,42 Mrd. Euro gegen Google verhängt. Geschädigte der unzulässigen Vorzugsbehandlung können nun entstandene Schäden im Wege von Schadensersatzklagen geltend zu machen. Die Kommission hat in ihrer Pressemitteilung (Europäische Kommission, Pressemitteilung  vom 27. Juni 2017 – die Entscheidung selbst ist noch nicht veröffentlicht) unter anderem folgende Punkte ausgeführt:

Worum geht es – Marktmissbrauch durch Google

Google ist im europäischen Wirtschaftsraum die bei Weitem am häufigsten genutzte Suchmaschine: In den meisten europäischen Ländern sind mehr als 90 % aller Internetsuchanfragen Google-Suchen.

2004 betrat Google den europäischen Markt der sogenannten Preisvergleichsdienste, der vom Suchmaschinenmarkt unterschieden werden muss. Das Google-Produkt hieß zunächst „Froogle“, ab 2008 „Google Product Search“ und ab 2013 „Google Shopping“. Über Preisvergleichsdienste können Verbraucher Produkte und Preise online vergleichen und bekommen einen Überblick über die Angebote verschiedener Online-Einzelhändler.

Das Geschäftsmodell von Preisvergleichsdiensten hängt direkt von der Anzahl der Zugriffe ab. Wird die Website häufig aufgerufen, steigt nicht nur der Umsatz sondern auch das Interesse der Einzelhändler, ihre Produkte dort zu platzieren. Die Google-Suche kommt ins Spiel, weil Verbraucher häufig über die allgemeine Internetsuche auf die Website des Preisvergleichsdienstes gelangen.

An dieser Stelle setzte nach den Feststellungen der Kommission ab 2008 die Strategie von Google an: Um Google Shopping zu fördern, habe Google den eigenen Preisvergleichsdienst systematisch vor anderen Preisvergleichsdiensten platziert, so dass er den Verbrauchern regelmäßig sehr weit oben auf der Suchergebnisliste angezeigt wurde.

Konkurrierende Preisvergleichsdienste seien hingegen erheblich schlechter platziert worden, stellte die Kommission in ihrer Entscheidung fest. Der am besten platzierte Wettbewerber wurde danach im Durchschnitt erst auf Seite vier der Suchergebnisse von Google angezeigt.

Google Shopping war für die Nutzer wesentlich sichtbarer ist als andere Preisvergleichsdienste. Und dies nach Auffassung der Kommission mit erheblichen Folgen: Auf das erste Suchergebnis in der Google Suchergebnisliste entfallen etwa 35 Prozent aller Klicks; die erste Seite der Suchergebnisliste macht etwa 95 Prozent aller Klicks aus. Auf das erste Ergebnis auf Seite zwei der Suchergebnisse entfällt hingegen nur noch rund 1 Prozent der Klicks bei Suchanfragen.

Die Kommission ist zu dem Ergebnis gekommen, dass Google seine marktbeherrschende Stellung auf dem Markt für allgemeine Internetsuchen missbraucht hat: Vor dem Hintergrund der Bedeutung der Platzierung für die Klickzahlen und der wirtschaftlichen Bedeutung der Klickzahlen für das Geschäftsmodell der Preisvergleichsportale hat das Unternehmen seinem eigenen Preisvergleichsdienst einen unrechtmäßigen Vorteil gegenüber Mitbewerbern verschafft.

Die Folgen des festgestellten Marktmissbrauchs durch Google

Das marktmissbräuchliche Verhalten von Google lässt sich nach den Feststellungen der Kommission an den Zugriffszahlen auf Google Shopping belegen. Diese haben sich seit 2008 in verschiedenen europäischen Ländern um das 14 bis 45-fache gesteigert. Gleichzeitig ist die Anzahl der Aufrufe von konkurrierenden Websites zurückgegangen, im Vereinigten Königreich um 85 Prozent, in Deutschland um 92 Prozent und in Frankreich um 80 Prozent. Die für die Wettbewerbspolitik zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager merkte daher in der Mitteilung der Kommission an, die Strategie von Google bestehe nicht darin, Kunden durch ein besseres Produkt zu gewinnen, sondern zu verhindern, dass die europäischen Verbraucher zwischen verschiedenen Diensten wählen können.

Geltendmachung von Kartellschadensersatzansprüchen

Googles wettbewerbswidriges Verhalten betrifft insbesondere die Preisvergleichsdienste, die mit Google Shopping konkurrieren. Das belegen die drastisch verringerten Aufrufzahlen mit den erheblichen wirtschaftlich negativen Konsequenzen. Betroffene Unternehmen können diese entstandenen Schäden im Wege zivilrechtlicher Schadensersatzklagen gegen Google geltend machen. In Deutschland können sie sich dabei auf einen besonderen Schadensersatzanspruch aufgrund des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) stützen. Der Gesetzgeber hat mit der jüngsten GWB-Novelle die Voraussetzungen für die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen deutlich verbessert (mehr Details im Raue LLP-Update „9. GWB-Novelle: Neue Regelungen zum Kartellschadensersatz“).

Zentral ist und bleibt dabei die Bindungswirkung der Entscheidungen von Kartellbehörden: § 33 b GWB (zuvor § 33 Abs. 4 GWB) bestimmt, dass die Feststellungen der Kommission in ihrer Entscheidung für das Zivilgericht bindend sind. Die Geschädigten müssen deshalb keinen Rechtsverstoß von Google beweisen, sondern können sich auf die Darlegung der erlittenen Schäden konzentrieren. Es ist zu erwarten, dass europaweit unter anderem zahlreiche Betreiber von Preisvergleichsdiensten Schadensersatzansprüche geltend machen werden.

(28. Juni 2017)