Internationale Scheidung: Wett­rennen um Gerichts­stand gehen weiter

Scheitern Ehen mit internationalem Bezug (z. B. mehrere Wohnorte, unterschiedliche Nationalitäten der Ehegatten), stehen in vielen Fällen die Gerichte mehrerer Staaten für das Scheidungsverfahren zur Verfügung. Wirtschaftlich kann es einen enormen Unterschied bedeuten, in welchem Land das Scheidungsverfahren stattfindet. Dabei gilt bislang der Grundsatz: Zuständig ist das Land, in dem zuerst ein Scheidungsantrag gestellt wird. In diese Rechtslage könnte demnächst etwas Bewegung kommen.

Die Gerichte wenden in aller Regel ihr eigenes nationales Familienrecht an. Dabei kann es große Unterschiede zu dem Recht der anderen in Frage kommenden Länder geben. Das gilt vor allem für die finanziellen Folgen der Scheidung. So hat beispielsweise das zentrale Londoner Familiengericht (Central Family Court) in einem Fall im März 2016 entschieden, dass die Ehefrau 90 Prozent des gesamten Vermögens des Ehemannes erhalten sollte (Jane Morris vs. Peter Morris). Diese Rechtsfolge wäre in einem vergleichbaren Fall in Deutschland völlig undenkbar. Der hier durchzuführende Zugewinnausgleich soll lediglich dazu führen, das während der Ehe hinzuerworbene Vermögen hälftig zu verteilen. Der Fall macht besonders deutlich, wie vorteilhaft oder nachteilig es für einen Ehegatten sein kann, in einem bestimmten Land geschieden zu werden.

Das gilt auch im Hinblick auf in Deutschland abgeschlossene Eheverträge. Sie werden im Ausland häufig nicht als verbindlich anerkannt. Wer vertraglich eine Gütertrennung vereinbart hat, um sein Vermögen zu schützen, kann diesen Schutz verlieren, wenn das Scheidungsverfahren nicht in Deutschland stattfindet.

Die großen finanziellen Unterschiede zwischen den verschiedenen nationalen Rechtsordnungen führen oft dazu, dass sich die Ehegatten ein Wettrennen um den Gerichtsstand liefern. Es gilt nämlich: Wer zuerst die Scheidung einreicht, kann damit – wenn er bei der Antragstellung alles richtig macht – sicherstellen, dass das Scheidungsverfahren in dem von ihm gewünschten Land stattfindet. Wenn es um viel Vermögen geht, lohnt es sich, das Rennen zu gewinnen.

In diese Rechtslage könnte demnächst etwas Bewegung kommen. Einige EU-Staaten haben vor, gemeinsam eine Verordnung zu beschließen, die genau regeln soll, welches Land bei einer grenzüberschreitenden Ehe die Scheidung aussprechen soll. Nur dessen Gerichte können dann mit der Scheidung betraut werden. Ein Wettrennen gäbe es nicht mehr. Das EU-Parlament hat am 23. Juni 2016 den entsprechenden Verordnungsentwurf (Verfahren 2011/0059/CNS) gebilligt. Damit bestehen zwar inzwischen gute Chancen, dass die Verordnung tatsächlich irgendwann in Kraft tritt. Sie wäre allerdings nur in den Ländern verbindlich, die an ihr mitgewirkt haben. Damit wären schon eine Reihe von EU-Ländern nicht eingeschlossen, zum Beispiel Ungarn, Polen, Dänemark, und – in der Praxis wichtig – Großbritannien. Für Länder außerhalb der EU (zum Beispiel auch die Schweiz) würde die Verordnung ohnehin nicht gelten. Für diese Länder wird also auch in Zukunft noch entscheidend sein, welcher Ehegatte in welchem Land die Scheidung zuerst anhängig macht.

Wann die geplante Verordnung geltendes Recht wird, ist derzeit noch nicht absehbar. Es ist deswegen weiterhin dringend anzuraten, in Fällen, in denen die Ehe eine internationale Komponente hat, und in denen es um viel Vermögen geht, so früh wie möglich zu prüfen, wann und wo der Scheidungsantrag gestellt werden könnte.

(7. September 2016)