Berlin: Wohnungsbau leichter aber teurer

Der Bau von Wohnungen in Berlin wird künftig erleichtert – aufgrund gestiegener Anforderungen aber voraussichtlich auch teurer. Entsprechende Änderungen des Baurechts hat das Abgeordnetenhaus gerade beschlossen. Die Novelle der Bauordnung für Berlin soll am 1. Januar 2017 in Kraft treten. Die wichtigsten Änderungen hier im Überblick:

Flexiblere Abstandsflächen

Um das Entstehen neuen Wohnraums zu beschleunigen, zeigt sich die neue Bauordnung flexibler im Hinblick auf Abstandsflächen, die zu Nachbargrundstücken einzuhalten sind. Abweichungen von Abstandsflächen und Abständen können unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen werden, wenn deren Schutzziele gewahrt bleiben (§ 6 Abs. 11). So können beispielsweise bei der nachträglichen Errichtung von Dachgeschossen auf rechtmäßig bestehenden Gebäuden die Abstandsflächen unbeachtlich sein (§ 6 Abs. 9). Ähnlich verhält es sich beim Neueinbau von Aufzügen, die von außen an Außenwände gesetzt werden: Ist nicht zu befürchten, dass angrenzende oder gegenüberliegende Räume wesentlich beeinträchtigt werden und besteht ein Abstand von mindestens drei Metern zu Nachbargrenzen, so können Abstandsmaße möglicherweise unterschritten werden (§ 6 Abs. 10).

Weitere Lockerungen

Werden bestehende viergeschossige Wohnhäuser um eine fünfte Etage aufgestockt, besteht nun keine Pflicht mehr, zusätzlich im Haus einen Fahrstuhl zu installieren (§ 39 Abs. 4). Aber auch die energetische Sanierung von Gebäuden ist ein Anliegen des Gesetzgebers. So sollen, wenn es um Baumaßnahmen zur Energieeinsparung und um Solaranlagen an bestehenden Gebäuden geht, diese Maßnahmen bei der Bemessung der Abstandsflächen außer Betracht bleiben, wenn sie dünner sind als 30 cm und mindesten 2,50 m von der Nachbargrenze entfernt bleiben (§ 6 Abs. 7).

Kürzere Laufzeit von Genehmigungen

Die neue Bauordnung möchte bewirken, dass Bauvorhaben schneller realisiert werden: Baugenehmigungen erlöschen nun nicht nur, wenn nicht innerhalb von drei Jahren nach ihrer Erteilung mit dem Bau begonnen wurde, sondern auch, wenn das Bauvorhaben nicht innerhalb von sieben Jahren nach der Genehmigungserteilung fertig gestellt wird (§ 73 Abs. 1 Nr. 2). Zudem kann die Dreijahresfrist, innerhalb derer mit dem Bau begonnen werden muss, nur noch dreimal um jeweils ein Jahr verlängert werden.

Neu im Verwaltungsverfahren

Das Verwaltungsverfahren wurde im Wesentlichen in zwei Punkten geändert. Zum einen regelt die Bauordnung nun endlich auch im Land Berlin die Nachbar- und Öffentlichkeitsbeteiligung (§ 70). Den Nachbarn sind Baugenehmigung und baurechtliche Bescheide für das geplante Vorhaben zuzustellen, wenn sie dem Bauvorhaben nicht zugestimmt haben. Über Abweichungen, Ausnahmen und Befreiungen müssen sie informiert werden, bevor diese zugelassen werden. Einwendungen müssen sie innerhalb von zwei Monaten vorbringen, danach sind sie ausgeschlossen. Bei mehr als 20 Nachbarn kann die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden. Ist ein Projekt geeignet, Belange der Allgemeinheit oder der Nachbarschaft zu gefährden, zu benachteiligen oder zu belästigen, kann die Baubehörde auf Antrag des Bauherrn das Bauvorhaben  öffentlich im Amtsblatt für Berlin und außerdem in örtlichen Tageszeitungen bekannt machen. Die öffentliche Bekanntmachung kann dann die Genehmigungszustellung und Informationsmitteilungen an die einzelnen Nachbarn ersetzen. Einwendungen, die nicht innerhalb von einem Monat gegen das so bekanntgemachte Bauvorhaben geltend gemacht werden, sind ausgeschlossen. Neu im Verwaltungsverfahren ist auch, dass die Baubehörde den Bauherrn im Rahmen ihrer Bauaufsichtspflicht beraten muss, wobei der Bauherr allerdings die Kosten für eine solche Beratung zu tragen hat (§ 58 Abs. 1).

Barrierefreiheit

Vor allem, aber nicht nur im Hinblick auf Wohnraumnutzung will der Gesetzgeber die Barrierefreiheit fördern. Öffentlich zugängliche Anlagen müssen in dem Teil, der dem allgemeinen Besucherverkehr dient, barrierefrei sein (§ 50 Abs. 2). In Gebäuden mit mehr als zwei Wohnungen müssen die Wohnungen eines Geschosses barrierefrei nutzbar und über den Haupteingang zugänglich zu sein (§ 50 Abs. 1). Bei Wohnungsneubauten mit mehr als zwei Wohnungen und Aufzug, die bis zum 31. Dezember 2019 errichtet werden, muss ein Drittel der Wohnungen barrierefrei sein. Nach diesem Datum erhöht sich die Quote sogar auf 50 Prozent. Ebenfalls müssen – in bestimmten Gebäudeklassen – Abstellräume für Rollstühle, Rollatoren, Fahrräder und Kinderwägen von öffentlichen Verkehrsflächen und den barrierefreien Wohnungen barrierefrei zugänglich sein. Im Übrigen ist für jede Wohnung ein ausreichend großer Abstellraum herzustellen, der allerdings auch außerhalb des Gebäudes gelegen sein darf (§ 48 Abs. 2).

Brandschutz

Weitere Änderungen der Novelle betreffen den Brandschutz. Ab 1. Januar 2017 ist es Pflicht, in Neubauten Rauchmelder zu installieren. Bestehende Wohnungen müssen bis 31. Dezember 2020 mit den Rauchmeldern ausgestattet werden. Die Sicherstellung der Betriebsbereitschaft der Geräte obliegt den Mietern oder sonstigen Nutzungsberechtigten (§ 48 Abs. 4).

Einzelhandel

Für den Einzelhandel dürfte vor allem eine Neuerung Auswirkungen haben: Verkaufsstätten mit einer Fläche von 400 m² müssen ab jetzt einen Toilettenraum für die Kundschaft haben (§ 43 Abs. 2).

Einschätzung

Die geänderte Bauordnung zeigt erneut, dass der Landesgesetzgeber zwar das Bauen und besonders den Wohnungsbau beschleunigen will. Gleichzeitig errichtet er aber aufgrund gegenläufiger politischer Zielsetzungen neue Hürden für den Wohnungsbau. Mit der Gesetzesänderung wird der Landesgesetzgeber deshalb dazu beitragen, dass sich die Kosten für die Errichtung neuer Wohnungen erhöhen. Das dürfte es gleichzeitig schwieriger machen, das angestrebte mäßigere Mietniveau zu erreichen.

(15. Juli 2016)