Fusionskontrolle für Startups: BMWi legt Gesetzesentwurf vor

Es wird konkret: Wie angekündigt (Raue LLP Update Fusionskontrolle für Startups) hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) mit dem Referentenentwurf der 9. GWB-Novelle eine Ausweitung der Anmeldepflicht in der deutschen Fusionskontrolle präsentiert. Betroffen sind große Unternehmen, die sich an jungen, noch umsatzschwachen Unternehmen mit großem Potenzial beteiligen.

Der Referentenentwurf, veröffentlicht am 1. Juni 2016, sieht unter anderem die Einführung eines zusätzlichen Aufgreifkriteriums in der Fusionskontrolle vor (neuer § 35 Abs. 1a GWB, Zf. 22, S. 20 unten). Danach würde eine Anmeldepflicht ergänzend zu dem bisherigen Absatz 1 auch dann bestehen, wenn der Gesamtumsatz der beteiligten Unternehmen weltweit über 500 Millionen Euro liegt und das Zielunternehmen zwar seinerseits nur geringe Umsätze erzielt (unter 5 Millionen Euro), für den Zusammenschluss jedoch eine Gegenleistung im Wert von mehr als 350 Millionen Euro vereinbart wird. Auch die Bagatellklausel in § 35 Abs. 2 GWB soll in diesen Fällen nicht (mehr) greifen.

Die Neuregelung ist ersichtlich darauf ausgerichtet, Aufkäufe oder Mehrheitsbeteiligungen auch dann der Fusionskontrolle zu unterwerfen, wenn das Zielunternehmen noch keine oder nur geringe Umsätze erwirtschaftet. Maßgeblich soll der wirtschaftliche Wert der Transaktion sein, das heißt eine erhebliche Gegenleistung, die außer Verhältnis zum Umsatz steht und die auf eine hohe Bedeutung (Innovationskraft, Umsatzpotential) des Zielunternehmens schließen lässt. Dadurch sollen die Kartellbehörden in die Lage versetzt werden, frühzeitig und im Hinblick auf sich gerade erst entwickelnde neue Märkte das Entstehen marktbeherrschender Stellungen zugunsten etablierter Großunternehmen zu erkennen und zu verhindern.

Erfasst werden nach dem gegenwärtigen Entwurfsstand nur Investitionen größerer Unternehmen. Da die Gesamtumsatzschwelle von 500 Millionen Euro weltweit beibehalten wird, wären Privatinvestoren grundsätzlich nicht betroffen. Den wesentlichen Schwellenwert für die Gegenleistung setzt der Referentenentwurf mit 350 Millionen Euro relativ hoch an, bleibt allerdings deutlich unter dem von der Monopolkommission (Sondergutachten 68, Rn. 461, 581) empfohlenen Betrag von 500 Millionen Euro. Eine zusätzliche Bedingung in § 35 Abs. 1a Nr. 4 GWB-Entwurf soll sicherstellen, dass die deutschen Kartellbehörden nur dann zuständig werden, wenn die  Tätigkeit des Zielunternehmens einen erkennbaren Inlandsbezug hat.

Nach den Erörterungen des Ministeriums dient das neue Aufgreifkriterium dem Schutz „innovativer Geschäftsideen mit einem hohen wettbewerblichen Marktpotential“. Das BMWi nennt als Beispiel den Erwerb von WhatsApp durch Facebook in 2014, der trotz eines vereinbarten Kaufpreises von rund 19 Milliarden US-Dollar die klassischen Aufgreifkriterien der Fusionskontrolle nicht erfüllt hatte. Diese „Lücke“ soll – dem EU-Recht vorauseilend schon jetzt auf nationaler Ebene – geschlossen werden. Das BMWi meint, durch die Kombination der Gegenleistungs-Schwelle mit einer Maximal-Umsatzschwelle von 5 Millionen Euro eine zu starke Ausweitung der Anmeldepflicht zu vermeiden, und geht von einer nur geringen Zahl betroffener Fälle aus. Ob das der Realität entspricht, wird sich zeigen. Die vom Ministerium gewählte, schon vom Wortlaut her ausgesprochen komplizierte Regelung wird jedenfalls nicht zu einer besseren Verständlichkeit und Anwendbarkeit der Schwellenwerte in der Fusionskontrolle beitragen, die schon bisher nicht einfach zu handhaben waren. Im Gegenteil werden die §§ 35 ff. GWB durch immer neue Sondertatbestände weiter entsystematisiert und aufgebläht.

(13. Juli 2016)