OLG Düsseldorf kassiert Ministererlaubnis Edeka/Tengel­mann

Das OLG Düsseldorf hat die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) erteilte Ministererlaubnis betreffend den Erwerb der Supermarktkette Kaiser’s/Tengelmann durch EDEKA heute suspendiert (Pressemitteilung Nr. 25/2016, Beschluss VI – Kart 3/16 (V)).  Danach erweist sich die Ministererlaubnis schon bei summarischer Prüfung als rechtswidrig. Ein Eilantrag der Konkurrenten REWE und Markant hatte damit Erfolg. Der vom Bundeskartellamt untersagte Zusammenschluss darf damit weiterhin nicht vollzogen werden. Gegen die Entscheidung des OLG im Eilverfahren kann noch eine Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH erhoben werden.

Ein maßgeblicher Grund für die Aufhebung war nach Angaben des Gerichts die Sorge, das BMWi sei befangen und nicht neutral. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel habe in der entscheidenden Phase des Erlaubnisverfahrens mit EDEKA und Kaiser’s/Tengelmann geheime „Sechs-Augen-Gespräche“ geführt und damit „die für ein transparentes, objektives und faires Verfahren unverzichtbare gleichmäßige Einbeziehung und Information aller Verfahrensbeteiligten unterlassen.“ Der Inhalt dieser Gespräche sei nicht aktenkundig gemacht worden und sie seien ohne Kenntnis und unter Ausschluss der weiteren Beteiligten, insbesondere REWE, geführt worden. Auch eine im Rahmen der Gespräche dem Minister übergebene rechtliche Stellungnahme zur Unwirksamkeit des Übernahmeangebots von REWE sei vertraulich behandelt und den anderen Verfahrensbeteiligten nicht zur Kenntnis gebracht worden.

Die Eilentscheidung des OLG Düsseldorf ist nicht nur eine schallende Ohrfeige für die Wettbewerbspolitik des BMWi und ein Lob für die Unabhängigkeit des BKartA, sondern zugleich auch eine wichtige Klarstellung der gerichtlichen Kontrolle deutschen Kartellrechts. Bisher war teilweise unklar, ob und inwieweit eine Ministererlaubnis – eine nicht unumstrittene Besonderheit der nationalen deutschen Fusionskontrolle – überhaupt gerichtlich überprüfbar ist. Nach dem Gesetz ist allein die Würdigung der gesamtwirtschaftlichen Lage und Entwicklung der gerichtlichen Nachprüfung entzogen (§ 71 Abs. 5 Satz 2 GWB). Das OLG Düsseldorf stellt nun klar, dass erstens das Eingreifen der Politik in die Wettbewerbsaufsicht jedenfalls in verfahrensmäßiger Hinsicht der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt und auch im Ministererlaubnisverfahren rechtsstaatliche Selbstverständlichkeiten wie Transparenz und Waffengleichheit der Beteiligten unbedingt gelten. Dabei belässt es das Gericht aber nicht, sondern prüft auch die vom BMWi angenommenen überwiegenden Belange des Gemeinwohls inhaltlich nach: Bei dem vom BMWi angeführten „Erhalt der kollektiven Arbeitnehmerrechte“ – gewerkschaftliche Organisation und Tarifvertragsbindung – handle es sich schon grundsätzlich nicht um einen Gemeinwohlbelang, weil Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes auch die negative Koalitionsfreiheit gewährleiste und kollektive Arbeitnehmerorganisation damit nicht per se mit dem Gemeinwohl gleichzusetzen sei. Den weiteren Gemeinwohlbelang der Arbeitsplatz- und Beschäftigungssicherung bei Kaiser’s/Tengelmann erkennt der Senat zwar grundsätzlich, aber nicht im konkreten Fall an, weil das BMWi bei der gebotenen Abwägungsentscheidung nicht alle relevanten Gesichtspunkte berücksichtigt habe und die verfügten Nebenbestimmungen nicht einmal geeignet seien, die 16.000 Arbeitsplätze bei Kaiser’s/Tengelmann in vollem Umfang zu sichern. Die Entscheidung stellt damit auch die politisch tragenden Kernpunkte der Ministererlaubnis in Frage.

(12. Juli 2016)