Thesaurierung von Gewinnen in Familienunter­nehmen

Viele familiengeführte Unternehmen haben sich zu weltweit operierenden Konzernen mit weit verzweigten Strukturen entwickelt. Auch wenn in der Konzernobergesellschaft klare Regeln zur Gewinnausschüttung vereinbart sind, werden diese Regelungen häufig durch die Zurückhaltung von Gewinnen (Thesaurierung) in den Tochtergesellschaften unterlaufen. Minderheitsgesellschafter können dagegen vorgehen und ihre Ausschüttungsinteressen durchsetzen.

Familienunternehmen werden häufig in der Rechtsform der GmbH & Co. KG als Konzernobergesellschaft, geführt. Ist an dem Unternehmen infolge von Generationswechseln eine Vielzahl von Gesellschaftern mit unterschiedlichen Lebensentwürfen und unterschiedlich engen Beziehungen zum Unternehmen beteiligt, kommt es typischerweise zu Meinungsverschiedenheiten über die Frage, welcher Teil des Gewinns im Unternehmen verbleiben, d.h. thesauriert und welcher Teil an die Gesellschafter ausgeschüttet werden soll. Wegen dieses absehbaren Konfliktpotentials enthält in vielen Fällen schon der Gesellschaftsvertrag der Konzernobergesellschaft Vorgaben zur Gewinnverwendung, etwa feste Thesaurierungs- und Ausschüttungsquoten oder zumindest Maximalgrenzen.

Auch eine solche vertraglich vereinbarte Gewinnverwendung kann die einfache Mehrheit der Gesellschafter in der Konzernobergesellschaft dadurch unterlaufen, dass sie über Gewinnverwendungsentscheidungen für Tochtergesellschaften Thesaurierungen in diesen Tochtergesellschaften vornimmt. Die in den Tochtergesellschaften entstehenden Gewinne kommen dann nicht bei der Konzernobergesellschaft an, sondern werden schon auf der Ebene der Tochtergesellschaften in Rücklagen oder Gewinnvorträge eingestellt. Für einen Minderheitsgesellschafter hat dies zur Folge, dass ihm faktisch dauerhaft Gewinne vorenthalten werden, die ihm nach dem Gesellschaftsvertrag zustünden.

Die Rechtsprechung hat Thesaurierungsentscheidungen der einfachen Gesellschaftermehrheit in verschiedener Hinsicht Grenzen gesetzt. Danach ist die einfache Gesellschaftermehrheit nicht berechtigt, in Tochtergesellschaften höhere Thesaurierungen vorzunehmen, als sie nach dem Gesellschaftsvertrag in der Obergesellschaft könnte. Kann in der Obergesellschaft eine Gewinnthesaurierung nur mit satzungsändernder Mehrheit beschlossen werden, bedarf auch eine Thesaurierung in den Tochtergesellschaften der Zustimmung dieser qualifizierten Mehrheit (OLG Hamburg, Urteil vom 9. August 2005, 11 U 203/04 im Fall „Otto“). Hinter dieser Rechtsprechung steht die Überlegung, dass die einfache Mehrheit der Gesellschafter nicht die Möglichkeit haben darf, eine im Gesellschaftsvertrag getroffene Regelung über die Gewinnverwendung zu unterlaufen. Stimmen die Gesellschafter einer Gewinnthesaurierung in den Tochtergesellschaften ohne die erforderliche qualifizierte Mehrheit zu, kann dieser Beschluss im Klagewege angegriffen werden.

Selbst wenn der Gesellschaftsvertrag keine festen Regelungen zur Gewinnverwendung enthält, stellt die Rechtsprechung den Minderheitsgesellschafter nicht schutzlos. Nach Entscheidungen u.a. des OLG Brandenburg (Urteil vom 31. März 2009, 6 U 4/08) und des OLG Nürnberg (Urteil vom 9. Juli 2008, 12 U 690/07) hat die Gesellschaftermehrheit bei der Entscheidung über die Gewinnverwendung grundsätzlich kraft Treuepflicht die Ausschüttungsinteressen der Minderheitsgesellschafter zu berücksichtigen. Sie darf insbesondere die Minderheitsgesellschafter nicht durch übermäßige Thesaurierung aushungern. Vielmehr seien die Thesaurierungsinteressen der Gesellschaft grundsätzlich gegen die Ausschüttungsinteressen der Gesellschafter abzuwägen.

Wird gegen diese Grundsätze verstoßen, können Minderheitsgesellschafter ihre Rechte je nach Regelung im Gesellschaftsvertrag durch Klage entweder gegen die Mehrheitsgesellschafter oder gegen die Gesellschaft durchsetzen.

(13. Juni 2016)