EU-Investitions­streitigkeiten vor Schieds­gerichten?

Der Schutz ihrer Investitionen vor Verlust und Benachteiligungen ist für Unternehmen ein wichtiger Faktor bei der Entscheidung für oder gegen einen Schritt ins Ausland. Zum Investitionsschutz gehört auch die Lösung möglicher Konflikte. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) muss sich nun mit der Frage befassen, ob in innereuropäischen Investitionsstreitigkeiten der Weg zu einem Schiedsgericht eröffnet sein kann. Denn der Bundesgerichtshof (BGH) hat den EuGH in einem Rechtsstreit zwischen der Slowakischen Republik und einer niederländischen Versicherungsgruppe angerufen, in dem es um die Wirksamkeit eines in Deutschland ergangenen Schiedsspruchs geht (Beschluss des BGH vom 3. März 2016, I ZB 2/15).

Das Schiedsgericht hatte die Slowakische Republik zur Zahlung von Schadensersatz an die Versicherungsgruppe verurteilt, weil erstere nach ihrem Beitritt zur EU ihren Krankenversicherungsmarkt zunächst liberalisiert und diese Liberalisierungen kurz darauf teilweise wieder rückgängig gemacht hatte. Angerufen wurde das Schiedsgericht aufgrund einer Schiedsklausel in einem im Jahr 1992 abgeschlossenen Investitionsschutzabkommen zwischen der damaligen Tschechoslowakei und den Niederlanden.

Der EuGH soll nun klären, ob eine Schiedsklausel in einem EU-internen bilateralen Investitionsschutzabkommen mit dem Unionsrecht, insbesondere mit den Artikeln 344, 267 und 18 AEUV, vereinbar ist.

Der BGH ist der Ansicht, die einheitliche Auslegung des Unionsrechts, die durch das in Artikel 267 AEUV geregelte Vorabentscheidungsverfahren gewährleistet ist, könne auch im Schiedsverfahren sichergestellt werden. Denn vor der Vollstreckung des Schiedsspruchs überprüfe das staatliche Gericht dessen Vereinbarkeit mit den grundlegenden Bestimmungen des Unionsrechts und lege bei Zweifeln über die Auslegung dieser Bestimmungen die Sache dem EuGH vor.

Auch der Artikel 344 AEUV, nach dem die Mitgliedsstaaten sich verpflichten, Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung der Verträge mittels unionsrechtlicher Streitbeilegungsmechanismen zu regeln, steht nach Ansicht des BGH einem Schiedsverfahren zwischen einem privaten Investor und einem Mitgliedsstaat nicht entgegen.

Der BGH hält es zwar für möglich, dass die in den bilateralen Investitionsschutzabkommen enthaltenen Schiedsklauseln eine Diskriminierung im Sinne des Artikel 18 Abs. 1 AEUV gegenüber Investoren aus anderen Mitgliedsstaaten darstellen könnten. Diese Problematik könne aber eventuell dadurch beseitigt werden, dass Investoren aus anderen Ländern ebenfalls Zugang zu einem Schiedsgericht gewährt würde.

Die Europäische Kommission vertritt die Ansicht, EU-interne bilaterale Investitionsschutzabkommen stünden mit den EU-Binnenmarktvorschriften in Widerspruch und stellten eine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit dar. Sie hat sogar Vertragsverletzungsverfahren gegen mehrere EU-Mitgliedsstaaten eingeleitet (Pressemitteilung der EU-Kommission vom 18. Juni 2015).

Vor diesem Hintergrund wird eine Klärung der Rechtslage durch den EuGH mit Spannung erwartet.

Siehe zu der Thematik auch:

BGH, Mitteilung der Pressestelle Nr. 81/2016

Vorinstanz der jetzigen BGH-Entscheidung: OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18. Dezember 2014, 26 Sch 3/13.

(3. Juni 2016)