Update: Fusionskontrolle für Startups?

Nach einer Mitteilung des Bundeswirtschaftsministeriums beabsichtigt die Bundesregierung, mit der 9. GWB-Novelle die Aufgreifkriterien der Fusionskontrolle durch das Bundeskartellamt in weitem Umfang auf Transaktionen über Startup-Unternehmen mit „großer wirtschaftlicher Bedeutung“ auszuweiten. Laut Jahreswirtschaftsbericht 2016 (S. 23) steht dahinter das Anliegen, insbesondere beim Erwerb innovativer Startups durch Großunternehmen eine Prüfung der Marktverhältnisse durch die Kartellbehörden herbeizuführen und dadurch frühzeitig das Entstehen marktbeherrschender Stellungen gegebenenfalls zu verhindern. Das BMWi folgt damit einer entsprechenden Empfehlung aus dem im Juni 2015 vorgelegten Sondergutachten 68 der Monopolkommission (Rn. 459 ff.). Auch auf europäischer Ebene wird eine entsprechende Anpassung der Fusionskontrollverordnung 139/2004 diskutiert.

Das Regelungsvorhaben wird in der Gründerszene als „Anti-Exit-Gesetz“ kontrovers diskutiert, weil es sich vor allem auf die Veräußerung innovativer Startups an etablierte Unternehmen bezieht, für die trotz aktuell niedriger Umsätze des Startups nicht selten Kaufpreise in zwei- bis dreistelliger Millionenhöhe gezahlt werden.

Derartige Transaktionen werden durch die Fusionskontrolle des europäischen Rechts und der §§ 35 ff. GWB bisher nicht erfasst, da die gesetzlichen Aufgreifkriterien ausschließlich auf die Umsätze der beteiligten Unternehmen abstellen. So enthält das deutsche Recht in § 35 Abs. 2 Satz 1 GWB noch immer eine ausdrückliche Privilegierung des „Anschlusses“ eines unabhängigen Unternehmens mit einem Vorjahresumsatz von weniger als 10 Millionen Euro an ein beliebiges anderes (Groß-)Unternehmen (Bagatell- bzw. Anschlussklausel). Erst ab einem Vorjahresumsatz von 10 Millionen Euro ist nach derzeitiger Rechtslage eine Anmeldung des Zusammenschlussvorhabens beim Bundeskartellamt erforderlich und gilt für dieses Vorhaben bis zur Freigabe durch das Bundeskartellamt ein streng sanktioniertes Vollzugsverbot.

Noch ist nicht abschließend klar, inwieweit die Bundesregierung diese Regelung ändern will, um nicht sämtliche Bagatellzusammenschlüsse, sondern nur diejenigen mit „großer wirtschaftlicher Bedeutung“ in wichtigen entstehenden Märkten zu erfassen. Laut dem Jahreswirtschaftsbericht will die Bundesregierung ergänzend zu den Umsätzen an den „Transaktionswert einer Übernahme“ anknüpfen. Zu erwarten ist also die Einführung eines zusätzlichen Aufgreifkriteriums, das bei Nichterfüllung der Umsatzschwellen gleichwohl etwa ab einem bestimmten Kaufpreis und/oder bestimmten beteiligten Unternehmen, Branchen oder betroffenen Märkten ohne Rücksicht auf die Umsätze einer Anmeldepflicht begründet. Die Monopolkomission (Sondergutachten 68, Rn. 461, 581) hat bereits entsprechende Formulierungsvorschläge geliefert. Wie genau sich die Bundesregierung die Umsetzung vorstellt, wird aus dem für das Frühjahr erwarteten Referentenentwurf der 9. GWB-Novelle ersichtlich sein. Soweit die Bundesregierung – wie allgemein erwartet – ihr Regelungsvorhaben in einer 9. GWB-Novelle mit der Umsetzung der Kartellschadensersatzrichtlinie zusammenfassen wird, ist damit zu rechnen, dass die Neuregelung noch vor der Sommerpause in den Bundestag eingebracht werden und entsprechend der Umsetzungsfrist der Kartellschadensersatzrichtlinie noch vor Jahresende 2016 in Kraft treten wird.

Kommt es zu der geplanten Neuregelung, unterliegt ein „Exit“ künftig schon dann, wenn die Gründer auch nur eine Minderheitsbeteiligung ab 25 Prozent an ihrem Unternehmen an ein etabliertes Unternehmen abgeben, einer strengen Anmeldepflicht zum Bundeskartellamt. Die Transaktion steht dann unter dem Vorbehalt, dass das Bundeskartellamt nach Prüfung keine Gefahr der Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung auf dem entstehenden oder einem anderen Markt sieht. Exit-Transaktionen würden dann künftig in vielen Fällen eine kartellrechtliche Vorabprüfung erfordern und die Umsetzung würde eine rechtzeitige und gut vorbereitete Anmeldung des Zusammenschlussvorhabens benötigen.

(16. März 2016)