Update: Wertsachen im Betrieb gestohlen – Wann haftet der Arbeitgeber?

Das Landesarbeitsgericht Hamm (Az. 18 Sa 1409/15) hatte am 21. Januar 2016 über einen – angesichts des hohen Wertes der angeblich vom Arbeitnehmer in  den Betrieb des Arbeitgebers eingebrachten Wertsachen – ungewöhnlichen Sachverhalt zu verhandeln. Der Fall wirft grundsätzliche und auf andere Situationen übertragbare Fragen zur Haftung des Arbeitgebers für in den Betrieb mitgebrachte Wertsachen auf.

Der Fall

Der Mitarbeiter eines Krankenhauses hatte gegen seinen Arbeitgeber eine Schadensersatzklage erhoben. Dem Mitarbeiter war im Krankenhaus ein abschließbares Büro zugeteilt. Er behauptete, Schmuck und Uhren im Wert von rund 20.000 Euro in den Rollcontainer des Schreibtisches seines Büros gelegt und diesen ebenso wie sein Büro verschlossen zu haben. Er habe den Schmuck und die Uhren noch am selben Abend zur Bank bringen und dort in sein Schließfach legen wollen. Er habe diese Absicht jedoch aufgrund einer erheblichen Arbeitsbelastung aus den Augen verloren. Einige Tage später habe er sodann festgestellt, dass die üblicherweise verschlossene Tür zu seinem Büro aufgeschlossen, der Rollcontainer aufgebrochen und die Wertsachen entwendet worden seien. Das Öffnen der Bürotür sei nur mittels eines Generalschlüssels möglich gewesen. Diesen habe – so der Mitarbeiter weiter – eine Arbeitnehmerin leichtfertigerweise in ihrer Kitteltasche aufbewahrt, woraus selbiger nach Aufbrechen ihres Spintes entwendet worden sei.

Der klagende Mitarbeiter stützte seine Schadensersatzklage darauf, dass die Arbeitgeberin es unterlassen habe, durch klare Anweisungen oder Vorkehrungen für eine sichere Aufbewahrung des Generalschlüssels zu sorgen; dadurch habe sie den Diebstahl der Wertsachen erst möglich gemacht.

Die Klage hatte vor dem Arbeitsgericht Herne (Az. 5 Ca 965/15) keinen Erfolg. In der mündlichen Berufungsverhandlung am 21. Januar 2016 beurteilte das Landesarbeitsgericht Hamm die Rechtslage ähnlich und betonte, dass sich Schutzpflichten des Arbeitgebers in Bezug auf die von Arbeitnehmern in den Betrieb mitgebrachten Sachen regelmäßig nur dann begründen lassen, wenn es sich um Sachen handelt, die ein Arbeitnehmer zwingend, mindestens aber regelmäßig mit sich führe oder aber unmittelbar oder mittelbar für die Arbeitsleistung benötige. Dagegen bestünden in Bezug auf andere, von dem Arbeitnehmer in den Betrieb ohne Kenntnis und Einverständnis des Arbeitgebers mitgebrachte (Wert-)Sachen grundsätzlich keine Obhuts- und Verwahrungspflichten des Arbeitgebers.

Der Kläger nahm daraufhin im Berufungstermin die Berufung zurück (Pressemitteilung des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 21. Januar 2016 zum Az. 18 Sa 1409/15).

Grundsätze der Arbeitgeberhaftung für „eingebrachte Sachen“

Die Argumentation des Landesarbeitsgerichts Hamm aus der Berufungsverhandlung liegt auf einer Linie mit der bisherigen Rechtsprechung.

Im Unterschied zu den Schutzpflichten des Arbeitgebers für Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers, die gesetzlich festgelegt sind, besteht keine gesetzliche Schutzpflicht für Vermögensgegenstände des Arbeitnehmers. Die Schutzpflicht des Arbeitgebers gegenüber berechtigterweise in den Betrieb eingebrachte (Wert-)Sachen des Arbeitnehmers wird im Allgemeinen aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers hergeleitet. Danach ist der Arbeitgeber verpflichtet, Vorkehrungen zu treffen, die den Arbeitnehmer in die Lage versetzen, eigene Sachen, die er in die Dienststelle oder den Betrieb mitnimmt, vor Beschädigungen oder Verlust zu schützen.

Dies gilt allerdings nur, wenn es sich dabei um persönlich notwendige Sachen handelt, also Sachen, die er benötigt, um die Dienststelle oder den Betrieb zu erreichen und sich zur Arbeitsleistung fähig zu halten (z. B. Kleider, Fahrkarten, angemessener Geldbetrag, Uhr etc.).

Die Pflicht besteht auch in Bezug auf unmittelbar oder mittelbar arbeitsdienliche Sachen, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen (also Sachen, deren Verwendung im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis zweckmäßig, aber nicht zwingend erforderlich sind), z. B. eigene Fachbücher, eigenes Werkzeug, Fahrrad o.ä. Nur bezüglich solcher Sachen oder Gegenstände hat der Arbeitgeber ihm mögliche oder zumutbare Maßnahmen zu ergreifen, um den Arbeitnehmer vor Verlust oder Beschädigung der eingebrachten Sachen zu schützen.

Hinsichtlich anderer, ohne jeden Bezug zum Arbeitsverhältnis und insbesondere ohne Kenntnis und Einverständnis des Arbeitgebers mitgebrachter (Wert-)Gegenstände (z. B. Schmuck und Fotoapparate) lassen sich Obhuts- und Verwahrungspflichten hingegen nicht begründen, schon um den Arbeitgeber nicht ebenso unerwarteten wie unkalkulierbaren Haftungsrisiken auszusetzen (sog. innerbetrieblicher Schadensausgleich).

Erfüllt der Arbeitgeber seine Obhuts- und Verwahrungspflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß, so kann dem Arbeitnehmer ein Schadensersatzanspruch zustehen. Voraussetzung der Ersatzfähigkeit des Eigenschadens des Arbeitnehmers ist aber, dass dieser nicht dem Lebensbereich des Arbeitnehmers, sondern dem Betätigungsbereich des Arbeitgebers zuzurechnen ist und der Arbeitnehmer ihn nicht selbst tragen muss, etwa weil er dafür eine besondere Vergütung erhält (BAG vom 28. Oktober 2010, Az. 8 AZR 647/09). Der vom Arbeitnehmer erlittene Eigenschaden muss sich somit als Verwirklichung eines tätigkeitsspezifischen Risikos darstellen.

Dies ist insbesondere bei reinen Verschleißschäden an Kleidung und anderen Gegenständen, die vom Arbeitnehmer auch ohne die Tätigkeit ständig gebraucht werden, nicht der Fall. Bleibt der Arbeitnehmer im Betrieb des Arbeitgebers beispielsweise mit seiner Jacke an einem Türgriff hängen und wird die Jacke hierdurch beschädigt, so hat sich kein tätigkeitsspezifisches, sondern das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht. Für eine Haftung des Arbeitgebers ist daher kein Raum. Hingegen verwirklicht sich ein tätigkeitsspezifisches Risiko, wenn die private Kleidung des Arbeitnehmers beispielsweise durch chemische Substanzen beschädigt wird, mit denen der Arbeitnehmer arbeitet.

Dasselbe gilt auch für den Diebstahl von persönlichen Wertgegenständen des Arbeitnehmers im Betrieb. Das Diebstahlsrisiko ist grundsätzlich dem Lebens- und Risikobereich des Arbeitnehmers und nicht dem Betätigungsbereich des Arbeitgebers zuzurechnen. Ausnahmsweise kann sich aber auch insoweit ein tätigkeitsspezifisches Risiko verwirklichen. Dies ist etwa der Fall, wenn während einer geschäftlichen Besprechung im Rahmen einer Dienstreise Reisegepäck des Arbeitnehmers aus dem Firmenfahrzeug entwendet wird, sich die Mitnahme des Reisegepäcks zur Besprechung verbot und auch keine anderweitige Unterbringungsmöglichkeit für das Gepäck zur Verfügung stand. In diesem Fall kann der eingetretene Schaden nicht mehr dem Lebensbereich des Arbeitnehmers zugerechnet werden (LAG Nürnberg vom 24. September 1997, Az. 3 Sa 445/97).

Fazit

Grundsätzlich trägt der Arbeitnehmer auch im Hinblick auf von ihm in den Betrieb eingebrachte Privatgegenstände das allgemeine Lebensrisiko von Verlust und Beschädigung. Der Arbeitgeber haftet nur dann, wenn er durch besondere Umstände darüber hinausgehende, sog. tätigkeitsspezifische Risiken begründet. In diesem Fall treffen ihn erhöhte Obhuts- und Verwahrungspflichten sowie daraus resultierende Haftungsrisiken.